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4. „The democratic way of life in Austria“
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rassistisch-politischen Säuberungswellen nach dem Anschluss 1938 , von der Tendenz her
als eine Art Diensttauglichkeitsüberprüfung zwecks beruflicher Weiterverwendung cha-
rakterisieren. Nur in äußerst seltenen Fällen wurde , wie Ingrid Arias bestätigt , „Einsicht in
Originallisten der NSDAP oder ihrer Organisationen genommen.“1531 Hinzukommt , dass
die vor der Vernichtung durch die Nationalsozialisten sichergestellten NS-Personalakten
der Gauleitung Wien durch persönliche Weisung Karl Renners zunächst unter „sicherer
Verwahrung gehalten werden“1532 mussten , und ein Zugriff auf diese für die gesamte Ent-
nazifizierung wichtigen Dokumente erst ab April 1946 – durch alliierten Druck auf die
österreichische Regierung1533
– ermöglicht wurde.
Wie nicht anders zu erwarten , spiegelt sich der lediglich äußerlich-formale , von keiner
ernsthaften inneren Überzeugung getragene Prozess der Entnazifizierung an den Univer-
sitäten auch an der führenden außeruniversitären Forschungseinrichtung des Landes
– der
1847 gegründeten Österreichischen Akademie der Wissenschaften. So wurden die entna-
zifizierten Professoren , darunter auch solche mit erheblicher NS-Vergangenheit wie Jo-
sef Nadler , Otto Brunner , Heinrich Srbik ,1534 Fritz Knoll , Hans Sedlmayr oder Camillo
Praschniker ,1535 ohne Unterbrechung durchgängig als Mitglieder der Akademie der Wis-
senschaften geführt.1536
1531 Arias meint damit vermutlich die Einsichtnahme in die sogenannten „Gauakten“. Vgl. Arias , Entnazifi-
zierung an der Wiener Medizinischen Fakultät , a. a. O., 345.
1532 Entdeckt wurde das unter Gauleiter Bürkel ab 1938 entstandene NS-Gauaktenarchiv in den Großöfen der
Zentralheizung des Parlaments , die so vollgestopft waren , „daß das offenbar beabsichtigte Verbrennen der-
selben mangels Luftzufuhr nicht gelungen“ ist. In weiterer Folge wurden die Akten von Minister Helmer im
Innenministerium unter Verschluss gehalten. Siehe dazu : Wilhelm Svoboda , Die Partei , die Republik und
der Mann mit den vielen Gesichtern. Oskar Helmer und Österreich II. Eine Korrektur , Wien 1993 , 62 f.
1533 Nach einer Sitzung der Alliierten Kommission am 29. April 1946 wurde beschlossen , dass die Gauakten
nicht der Bundespolizeidirektion Wien zu übergeben seien , sondern im Gewahrsam des Innenministe-
riums zu verbleiben hätten , „mit der Verpflichtung , jeder alliierten Dienstelle auf Verlangen Auskunft zu
geben.“ Zit. nach : Svoboda , Die Partei , die Republik , a. a. O., 68 ; Vgl. auch Arias , Entnazifizierung an
der Wiener Medizinischen Fakultät , a. a. O., 345.
1534 Zur „Wiener Schule der Geschichtswissenshaft“ in der NS-Zeit siehe : Gernot Heiß , Die „Wiener
Schule der Geschichtswissenschaft“ im Nationalsozialismus : „Harmonie kämpfender und Rankescher
erkennender Wissenschaft“ ? In : In : Ash / Nieß / Pils ( Hrsg. ), Geisteswissenschaften im Nationalsozia-
lismus , a. a. O., 397–426.
1535 Zur Rolle Camillo Praschnikers am Institut für Klassische Archäologie 1934–1945 siehe jüngst : Gudrun
Wlach , Klassische Archäologie in politischen Umbruchszeiten. Wien 1938–1945. In : Ash / Nieß / Pils
( Hrsg. ), Geisteswissenschaften im Nationalsozialismus , a. a. O., 351 ff.
1536 Der Mathematiker und Illegale Anton Huber , der Prähistoriker und Unterrichtsminister in der Regie-
rung Seyß-Inquart ( 1938 ) Oswald Menghin oder der letzte NS-Rektor der Universität Wien , Viktor
Christian – die beiden Letztgenannten waren Mitglieder in der streng antisemitischen Professorencli-
que der „Bärenhöhle“ in den Jahren bis 1934 ( vgl. Taschwer , Die Bärenhöhle und ihr langer Schatten ,
a. a. O., o.P. ( S. 7 )
–, scheinen nur vorübergehend nicht in den Mitgliederlisten geführt und tauchen dann
Ende der 1950er-Jahre – jedoch ohne Hinweis auf jede Unterbrechung – wieder als ÖAW-Mitglieder
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741