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4. „The democratic way of life in Austria“
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der USFA-Education Division Mitinitiator des Papiers der „Austrian University League
of America“ gewesen :
„Das BMU reagierte auf diese Listen , die es möglich gemacht hätten , im Schnitt für jede 1946
noch nicht besetzte Stelle unter vier Kandidaten auszuwählen , mit totaler Ignoranz. Mit kei-
nem der auf den Listen Angeführten , mit dem das BMU nicht bereits in Kontakt stand , wurde
der Kontakt gesucht.“1571
In einem Schreiben der US-Education Division vom September 1947 wurde Sektionschef
Skrbensky erneut darum ersucht , für die Besetzung von 47 Lehrkanzeln endlich den Nach-
weis der politischen Unbedenklichkeit der in Frage kommenden Personen vorzulegen , was
nahelegt , dass es sich dabei um keine Lehrkräfte handelte , die auf den kursierenden Listen
der an einer Rückkehr interessierten Exil-Wissenschafter zu finden waren. Skrbensky ant-
wortete schließlich , es seien nur neun Emigranten für die Besetzung der vakanten Ordina-
riate vorgesehen , darunter ein politisch Verfolgter.1572
Zweifellos noch schwerer ins Gewicht fällt im Zusammenhang mit den genannten
Wissenschafter-Listen , dass neben aller offensichtlichen und hinhaltenden Ignoranz , al-
len unterschwelligen antisemitischen Vorbehalten , aller Bereitschaft zur wohlwollenden
„Nachsicht“ gegenüber ehemaligen NS-Professoren und dem Bemühen um Wiedereinset-
zung konservativ-katholischen Lehrpersonals aus der austrofaschistischen Ära , zuweilen
auch absichtlich Fehlinformationen weitergeleitet wurden – wie beispielsweise an Karl
und Charlotte Bühler , denen Sektionschef Skrbensky in einem Schreiben vom Juni 1946
falsche Angaben hinsichtlich angeblich nicht möglicher finanzieller Entschädigungsan-
sprüche machte.1573
Ganz abgesehen davon , dass mit der Frau von Karl Bühler , Charlotte Bühler
– vor ihrer
Emigration außerordentliche Professorin und Direktorin am Wiener Institut für Psycho-
1945 auf seinen künftigen Ruhegenuss angerechnet. Siehe : Pfefferle / Pfefferle , Glimpflich entnazifi-
ziert , a. a. O., 95.
1571 Fleck , Österreichs Universitäten am Beginn der Zweiten Republik , a. a. O., 7.
1572 Wobei , wie Christian Fleck dargelegt hat , der hierunter angeführte Victor F. Hess nie und der eben-
falls genannte Historiker Friedrich Engel-Jánosi zwar 1959 , aber eben erst nach seiner Emeritierung
zurückkehrte. Vgl. Fleck , Rückkehr unerwünscht. Der Weg der österreichischen Sozialforschung ins
Exil , a. a. O., 207. Hingegen berichtet Erika Weinzierl , dass Engel-Jánosi 1949 das Angebot eines
Lehrstuhls für neuere Geschichte an der Universität Wien „vor allem aus Rücksicht auf Frau und
Tochter abgelehnt“ hatte. Als er 1959 zurückkehrte
– Engel-Jánosi lehrte in den USA u. a. an der John
Hopkins University
–, zeigte sich ihm hingegen „die österreichische Bürokratie nicht von ihrer besten
Seite. Weil er sechzig Jahre alt war , erhielt er zwar alle Rechte eines Ordinarius , aber nur den Titel
eines Honorarprofessors , und die Frage seiner Pension blieb ungelöst.“ Erika Weinzierl , Friedrich
Engel-Janosi. In : Stadler ( Hrsg. ), Vertriebene Vernunft. Bd. II. Emigration und Exil österreichischer
Wissenschaft , a. a. O., 518.
1573 Fleck , Rückkehr unerwünscht. Der Weg der österreichischen Sozialforschung , a. a. O., 208 f.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741