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4. „The democratic way of life in Austria“
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( Gleispach , Hold , Hugelmann , Schönbauer , Schwind , Spann , Voltelini ), who were pro-Nazis.
They were so powerfully entrenched in the University of Vienna long before 1938 , that they
were able to prevent my appointment simply because they were aware of my political opposi-
tion to the ‘Anschluss’ , an attitude which they regarded as ‘Volksverrat’.”1595
Mit Bezug auf eine angeblich 1936 angefertigte Abschrift des seinerzeitigen Berufungsver-
fahrens erinnerte man sich nach 1945 universitätsintern bezeichnenderweise an einen völlig
anderen Verlauf des Habilitationsprozederes. Das Dekanat der Universität Wien sandte diese
Abschrift , die den Brand überstanden hatte , Ende Februar 1946 an das Unterrichtsministeri-
um.1596 Dem Wortlaut des Schriftstückes nach habe die damalige Habilitierungskommission
dem Bewerber Winter , der , quasi in arbeitseifrigem Überschwang , gleich drei Habilitations-
schriften eingereicht habe ,1597 in der Sitzung vom 20. Mai 1935 die Venia legendi einstimmig
1595 U. S. Office of Strategic Services. Foreign Nationalities Branch Files 1942–1945. INT–4AU–159 , Ernst
Karl Winter an Office of Strategic Services , 15. August 1942 , Curriculum Vitae , a. a. O., 1.
1596 Das Original des Habilitationsansuchens Ernst Karl Winters und die anschließende Korrespondenz
war jedenfalls im Jahr 1946 nicht mehr auffindbar , da dieser – so wurde an der juridischen Fakultät der
Universität Wien gemutmaßt –, mit den anderen Dekanatsakten verbrannt sei. Lediglich eine Sach-
verhaltsdarstellung , die 1936 an das damalige Bundesministerium geschickt worden sei , fand sich 1946
in einer Abschrift , die allerdings nicht nur die Querelen zwischen Othmar Spann und Winter völlig
unerwähnt lässt , sondern darüber hinaus den tatsächlichen Verlauf des Habilitationsansuchens bezie-
hungsweise dessen schlussendliches Scheitern inhaltlich-sachlich vollständig ins Gegenteil verkehrt. Vgl.
UAW , Personalakt Ernst Karl Winter / 23 , Dekanat der Universität Wien an das Bundesministerium für
Unterricht , Dek. Zl. 372 aus 1946 , 28. Februar 1946 , Abschrift Zl. 1 aus 1936.
1597 Am 24. Mai 1929 hatte Winter erstmals um Erteilung der venia legendi für „Allgemeine Gesellschafts-
lehre“ angesucht und zwar unter Vorlage der Schrift „Die Sozialmetaphysik der Scholastik“. Die Habi-
litationskommission , die aus den Professoren Hans Voltelini , Hans Kelsen , Gustav Walker , Ferdinand
Degenfeld-Schonburg und Ernst Schönbauer bestand , habe ihre Sitzung jedoch vertagt , nachdem Kel-
sen erklärt haben soll , man möge die Erscheinung einer soeben in Druck gehenden größeren Arbeit
Winters abwarten. Winter selbst habe am 8. Oktober 1929 Professor Alexander Hold-Ferneck gebeten ,
seine Habilitation ruhen zu lassen , da er an einer neuen Schrift arbeite ; die neugefasste und zugleich
erweiterte Arbeit über Platon habe Winter dann zusammen mit weiteren Veröffentlichungen bereits am
5. Mai 1930 vorgelegt , mit der Bitte um Weiterführung seines Verfahrens. Im Mai 1930 habe Prof. De-
genfeld nach einer Kommissionsbesprechung die Aufgabe übernommen , „Dr. Winter zu eröffnen , dass
ein öffentlich abgegebenes klares und deutliches Bekenntnis zur deutschen Kulturgemeinschaft seine
Habilitierung möglicherweise erleichtern würde.“ UAW , Personalakt Ernst Karl Winter , Habilitati-
onsakt , Zl. 1–1936 , 1.UAW , Personalakt Ernst Karl Winter / 23 , Dekanat der Universität Wien an das
Bundesministerium für Unterricht , Dek. Zl. 372 aus 1946 , 28. Februar 1946 , Abschrift Zl. 1 aus 1936 ,
1 ff. Winter kam dieser Aufforderung nach , indem er eine Veröffentlichung über den „paternalen Staat“
aus der Zeitschrift für öffentliches Recht gemeinsam mit einer persönlichen Nachbemerkung nachrei-
chte , die „geeignet“ schien , „jene Bedenken gegen seine Habilitierung zu zerstreuen , die aus der Art
und Weise , wie er seine politischen Meinungen geäußert hat , sich ergeben.“ Das Verfahren sei dann
aber neuerlich auf Bitte Winters gestoppt worden , da dieser zunächst gegenüber dem damaligen Dekan
Prof. Gustav Walker , dann im Jänner 1932 in einem schriftlichen gestellten Ersuchen , die Einreichung
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741