Page - 389 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Image of the Page - 389 -
Text of the Page - 389 -
389
Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
Grundlage“1652 bietend charakterisiert und das Ansuchen daher , wie Winter in einer aus-
führlichen Darstellung gegenüber James W. Riddleberger ,1653 dem Österreich-Experten
und Chef der Division of Central European Affairs im State Department in Washington
mitteilte , abgelehnt. Winter interpretierte das mit folgenden Worten und bat Riddleberger
gleichzeitig mit bereits leicht resignativem Unterton1654 um Unterstützung in der Angele-
genheit , die sich nun bereits über zwei Jahre hin zog :
“The grotesque situation now stands that the majority of the same professors in Vienna , who
under Nazi leadership from 1929 to 1938 rejected me for my ‘anti-German’ views , now reject
me again for my ‘un-Austrian’ utterance in exile. ( As I am quite reliably informed , the Vienna
Faculty of Law is now led by Legitimists , who think that I ‘betrayed’ the cause of Legitimists
in exile ). On the basis of all these facts , summarized here for the sake of convenience I take the
liberty to ask your advice in the following directions. Is there any possibility to submit a case
like this , with all the experience and materials of a twenty year struggle against Nazism on the
University of Vienna , to the Allied Council in Vienna ?“1655
Die Antwort , die Winter vom neuen Leiter der Division of Central European Affairs ,
Jacob D. Beam , bekam , war zurückhaltend , kurz gehalten und von der Generallinie her
sicherlich im Einklang mit den längerfristigen zivilen Reorientierungs-Planungen , wie sie
sowohl die „German-Austrian Branch , Division of Occupied Areas , Office of Information
and Educational Exchange“ des US-State Department als auch das War Department in
seiner Reorientation Branch , Civil Affairs Division ( CAD ) für Österreich und – freilich
mit Abstrichen
– für Deutschland konzipierten und durchführten :
“After careful consideration of this matter we have reached the conclusion that the Depart-
ment is not in a position to intervene on your behalf. We understand that submission of the
case to the Allied Council would be without precedent since this body has apparently never
reviewed or recommended individual appointments to the universities in Austria. Such a step
would be inconsistent with United States policy of treating Austria as a free and independent State
1652 Ebd.
1653 James W[ illiams ] Riddleberger ( 1904–1982 ), war von 1944 bis 1947 Leiter der Division of Central Euro-
pean Affairs , im U. S. Department of State , von 1947–1950 Botschaftsleiter und Chef der „political section“
des OMGUS in Berlin sowie „acting political adviser“ des Oberbefehlshabers der US-Besatzungstruppen
in Deutschland , 1949–50. Von 1962–1967 war Riddleberger US-Botschafter in Österreich.
1654 So schrieb Winter im Februar 1948 an Riddleberger : „I would greatly appreciate your kind advice and in-
struction which I am ready to follow. I am still an Austrian citizen and hoped to return to Austria on the
basis of an academic career , to which I feel entitled. As long as such primitve kind of morale reparation is
not carried out , however , by present Austrian set-up and the old ghosts still rule the scene of the universities ,
I am greatly disappointed in my hope to be able to do anything valuabel in Austria today.“ Ebd. 3.
1655 Ebd., 2 f.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741