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4. „The democratic way of life in Austria“
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in every practicable way under the conditions of occupation. It would hamper our efforts to
extend maximum administrative responsibility to the Austrian Government under the New
Control Agreement of June 28 , 1946 while progressively reducing the powers of the Austrian
authorities.”1656 [ Hervorhebung d. Verf. ]
In dem zitierten Schreiben des State Departments – das im Übrigen erst erfolgte , nach-
dem der stellvertretende Leiter der Division of Central European Affairs in Berlin , Allan
K. Lightner , das Ansuchen Winters unverrichteter Dinge wieder nach Washington re-
tourniert hatte – wurde auf den aufgeworfenen Fragekomplex unzureichender universi-
tärer Entnazifizierung mit keinem Wort eingegangen. Das ist aber insbesondere für die
Dienststellen des State Department in Washington in keiner Weise als repräsentativ anzu-
sehen und auch nicht für die militärischen Stabsstellen innerhalb der Civil Affairs Divisi-
on ( CAD ) sowie der kooperierenden US-Informations- und Geheimdiensteinrichtungen ;
womöglich war das Ausblenden der an sich naheliegenden Entnazifizierungs-Problematik
auch dem Umstand geschuldet , dass die Division of Central European Affairs nicht direkt
mit Reorientierungs-Fragen befasst und mit den spezifischen Agenden anderer Abteilun-
gen nur unzureichend vertraut war , oder auch , weil sie sich nicht in die Angelegenheiten
der lokalen militärischen Besatzungsorgane einmischen wollte : schließlich war es in der
genannten Angelegenheit offenkundig zu keinem Kontakt mit den zuständigen USFA-
Stellen gekommen , obwohl sich Winter , wie erwähnt , dezidiert darum bemüht hatte.1657
Die abermalige Verhinderung seiner Bemühungen um Ausweitung der Lehrbefugnis
auf Soziologie sowie deren Begründung betrachtete Winter als „Bosheit“ und das Ver-
halten der österreichischen Regierung kommentierte er , der mit seiner neunköpfigen Fa-
milie – zwei seiner Söhne hatten am Columbia beziehungsweise am Barnhard College
studiert und sein Sohn Ernst Florian hatte an der Invasion in der Normandie teilgenom-
men1658 – nach wie vor in New Jersey saß , mittlerweile mit scharfen Worten : diese hätte
1656 Jacob D. Beam an Ernst Karl Winter , 23. April 1948. Recordings of the U. S. Department of State re-
lating to the Internal Affairs of Austria 1945–1954 ( Mikrofilm-Bestand Institut für Zeitgeschichte der
Universität Wien ), Decimal File , Reel 6 , 1945–1949 , 1.
1657 Winter überlegte darüber hinaus , seine Angelegenheit vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen. Vgl.
Winter in einem Brief an Dr. Walter Berger vom 12. September 1947. Zit nach : Holzbauer , Ernst Karl
Winter ( 1895–1959 ), a. a. O., 369.
1658 Ernst Florian Winter ( geb. 1923 ), studierte Japanisch an der University of Michigan und Politikwissen-
schaften und Internationales Recht an der Columbia University. Als junger Mann trat er der US-Army
bei ; im Mai 1945 marschierte Winter mit der 86. Division der 3. US-Armee bei Burghausen ins Innvier-
tel ein. Nach Kriegsende war er u. a. Professor für Geschichte und Politikwissenschaft am Iona College
in New Rochelle / New York und Gastprofessor an der Flechter School of Law and Diplomacy an den
Universitäten in Princeton , Georgetown / Washington und Indiana. Bruno Kreisky machte Ernst Florian
Winter 1964 zum ersten Nachkriegs-Direktor an der Diplomatischen Akademie in Wien ( 1964–1967 ),
wo künftig eine neue Generation von Diplomaten ausgebildet werden sollte.
Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/ernst_Florian_Winter [ Zugriff 19. 7. 2009 ].
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741