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4. „The democratic way of life in Austria“
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hen , dass er diese Einladung anzunehmen bereit wäre , allerdings „only under the condition
that I am sent to Vienna in some official mission for the government of the United States“,
und fügte , nach kurzen Angaben zu seinem Lebens lauf und seiner beruflichen Karriere
in den USA ,1713 selbstbewusst hinzu : „I think that these circumstances enable me to do
satisfactory work for the United States in Austria.“1714
Dass die Bemühungen anderer in die USA emigrierter österreichischer Juristen , die ihre
Dienste dem U.S. War Department anboten , erfolglos blieben beziehungs weise im Sande
verliefen , zeigte sich anhand eines Memorandums der Vereinigung früherer österreichi-
scher Juristen in den Vereinigten Staaten , das bereits Mitte 1945 verfasst wurde und die
bisherigen negativen Erfahrungen resümierte.1715
Das Ansuchen Kelsens wurde vom War Department umgehend an die USACA-Educa-
tion Division mit dem Hinweis weitergeleitet , dass es die Möglichkeit gibt , ihn in das „Visit-
ing Experts Program“ aufzunehmen , sodass seinem Wunsch nach einer offiziellen Funktion
entsprochen wäre. Der in Österreich befindlichen US-Militär
stelle wurde dabei überaus
deutlich signalisiert , dass die Entscheidung zwar bei der Militäradministration vor Ort läge ,
es aber lediglich eines Telegrammes bedürfe , um Kelsen anzufordern , mit dem Nachsatz :
„Understand he is personal friend of president Renner.“1716 In einem vierzeiligen Retourtele-
gramm teilte die US-Information Service Branch in Österreich daraufhin mit , dass sich Kel-
sen auf einer „tentativen Liste“ befinde , genauere Informationen beziehungsweise die Bestä-
tigung dessen aber erst nach Beratung der zuständigen Experten vor Ort nachfolgen würden.
1713 NARA II , RG 165 , Box 324. Hans Kelsen an die Reorientation Branch der Civil Affairs Division in
Washington , Captain Bateson , vom 9. September 1947. Kelsen beschrieb hier seinen Kurz lebenslauf mit
folgen den Worten : „I was professor of constitutional law and political theory at the University of Vienna
from 1911 to 1929 ; legal advisor of the first Goverment of the Austrian Republic from 1918 to 1921. In
this capacity I drafted the Constitution of 1920 which is now again in force in Austria. I was member
and permanent reporter of the Austrian Constitutional Court and Dean of the Law School of the Uni-
versity of Vienna. I know personally President Renner and many other people now in official position in
Austria. For further information , I wish to tell you that I am an American citizen and Professor of Poli-
tical Science at the University of California , Berkely. I was Oliver Wendell Holmes Lecturer at Harvard
Law School and I am Honorary Member of the American Academy of Art and Science in Boston and
of the American Society of International Law , Doctor Honorer Causa of Harvard University and of the
University of Chicago.“
1714 Ebd.
1715 American Association of Former Austrian Jurists [ sic ]. Armand Eisler to Department of War , 19 Octo-
ber 1945 , Memorandum of Former Austrian Jurists Overseas , drafted by Paul L. Baeck and Robert Lan-
ger , 23 August 1945. Darin heißt es unter dem Punkt „Employment of former Austrian Jurists in U. S.
Sevices Overseas“ mit deutlich frustriertem Unterton unter Bezugnahme auf eine behördliche Stellung-
nahme : „We learned that allegedly the U. S. Government ‚is unwilling to impose on the population of an
occupied country its former nationals who are forced to emigrate , and subsequently acquired American
citizenship‘.“ Zit. nach : ebd., 9.
1716 NARA II , RG 165 , Box 324. Telecon 23. September 1947 , WD–2 , Lt.Col. Joseph R. Groves , INF. Exe-
cutive , USACA.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741