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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
Zeitpunkt namentlich lediglich um zwei Fälle , in denen sich Williams höchst persönlich
eingesetzt hatte , wobei der bürokratische Ablauf dann ungewöhnlich rasch und ohne alle
Verzögerungen auf österreichischer Seite vonstatten ging.1806 An diesen Beispielen zeigt
sich geradezu exemplarisch , wie rasch , effizient und reibungslos die Bestellung von Gast-
professuren vor sich gehen konnte , obwohl oder gerade weil die amerikanischen und ös-
terreichischen Stellen einander ver sicherten , nichts ohne beidseitiges Einverständnis un-
ternehmen zu wollen. So unterstützte Samuel H. Williams in einem Schreiben von Juli
1948 gegenüber dem Dekan der Geistes wissenschaftlichen Fakultät , Prof. Duda
– er brach
im Frühjahr 1949 selbst als erster Teilnehmer des „Austrian Experts“-Progamm zu einem
Gastaufenthalt in die USA auf1807
–, die Be werbung eines gewissen Dr. van Hofe von der
University of Southern California für Gastvorträge an der Uni versität Wien ( die letztlich
in einer Absage mündeten ):1808
“Please be assured that the Education Division has not invited and does not intend to invite any
individuals for lectures at the University without first conferring with you. As you know , our
policy is strictly one of non-interference [ … ]”.1809 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Postwendend antwortete Richard Meister als Dekan-Stellvertreter Williams , dass „in die-
ser Angelegenheit seitens der Universität und insbesondere des Dekanates , nichts unter-
nommen werden wird , ohne vorher mit Ihnen das Einverständnis ge pflogen zu haben.“1810
Dass aber trotz der deklarierten „Politik der Nichteinmischung“ en passant mit geteilten
Berufungsvorschlägen seitens der Education Division sowohl von der Universität Wien
1806 Es handelt sich um den Anglisten der Northwestern University Prof. Howard Jantz und den Historiker
Arthur J. May von der Univ. Rochester / New York.
1807 Recordings of the U. S. Department of State relating to the Internal Affairs of Austria 1945–1954 ( Mi-
krofilm-Bestand / Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien ), Decimal File , Reel 6 , Education
Division , Quarterly Historical Report , Governing Period 1 January
– 31 March 1949 , Enclosure no. 1 to
despatch no. 216 , dated April 26 , 1949 , from the American Legation , Vienna Austria , 3.
1808 Schuld daran war offenbar ein Formfehler , den ein Privatdozent Dr. Sieberer begannen hatte , indem er
sich – unter Umgehung der österreichischen Behördenstellen – direkt an die ameri kanische Be satzungs-
macht gewandt hatte. In einem Antwortschreiben teilte Samuel H. Williams Harold van Hofe von der
University of Southern Cailfornia / Los Angeles mit : „Inasmuch as we do not interfere in the operations of
Austrian educational institutions all I could do was to indicate to the Dean that you had received an invi-
tation from Dr. Sieberer and to submit your qualifications. [ … ] I regret exceedingly that Sieberer did not
submit his invitation through proper channels which I am sure would have resulted in an opportunity
for you.“ UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 3734–1958 / 59 , USACA , Education Division APO 777 ,
U. S. Army , Samuel H. Williams an Dr. Harold van Hofe , 21. Juli 1948 , 1.
1809 UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 3734–1958 / 59 , USACA , Education Division APO 777 , U. S.
Army , Samuel H. Williams an Professor Dr. Duda , 21. Juli 1948 , 1.
1810 UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 3734–1958 / 59 , Richard Meister an Samuel H. Williams , Educa-
tion Division , APO 777 , Friedrich Schmidtplatz 5 , VIII. Wien , 30. Juli 1948 , 1.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741