Page - 451 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
mischer Stellen zu kriti sieren und sie „lächerlich mache“1952 beziehungsweise „jede Kritik
die aka de mischen Behörden lächerlich mache und die Universität in Mißkredit bringe.“
Das Rektorat der Universität Wien erklärte , künftig keinerlei Kritik an den aka
demi schen
Behörden zu dulden und verfügte , dass die Akademische Rundschau künftig nicht mehr auf
Hochschulboden vertrieben beziehungsweise verkauft werden darf.1953
Als Reaktion auf dieses Verbot richtete die US-Information Services Branch gemein-
sam mit der britischen ISB ein verklausuliertes Unterstützungsschreiben an die Leitung
der Akademischen Rundschau , worin in Form einer allgemein gehaltenen , philo sophisch-
pädagogischen Reflexion zu Fragen einer vorurteilslosen Bildung und Erziehung – wenn
auch mit deutlich anglo-amerikanischer Einfärbung
– Mut zur Kritik ausgesprochen wurde :
„Eine menschliche Gemeinschaft , die ihren Mitgliedern nicht gestattet , an ihren Zielen und
Methoden Kritik zu üben , wird mit der Zeit erstarren , wenn nicht zugrunde gehen. Leben-
diger , aggressiver Individualismus , der niemals vor Kritik zurückschreckt , ist eine Vorbedin-
gung für ein gesundes menschliches Zusammenleben auf demokrati scher Grundlage.“1954
In einer gemeinsamen Resolution gegen Inhalt und „Geist“ dieser Beschlüsse appel-
lierten die Hochschülervertretungen der drei wahlwerbenden Parteien an die „demo-
kratische Presse und die gesamte Öffentlichkeit“: „Die drei wahlwerbenden Gruppen sind
der Ansicht , dass dadurch die Freiheit der Wahl und die damit verbundene Wahlwerbung
nicht mehr gewährleistet erscheint und diese Verfügungen in keinerlei Einklang mit der
Demokratie zu bringen sind.“1955
Bereits zu Beginn der Wahlversammlungen am 12. November 1946 war es zu ersten
Zwischenfällen an der Tierärztlichen Hochschule gekommen , bei denen es sich primär
um antisowjetische „Ausfälle“ gehandelt haben soll.1956 Auch in einer darauf folgenden
Wahlversammlung im Auditorium Maximum der Universität Wien soll es zu desavouie-
renden , „wüsten Zurufen und Gejohle“ von FÖST-Anhängern gegenüber Vertretern der
kommunis tischen und sozialistischen Studentenfraktionen gekommen sein , wobei auch
deutlich antisemitische Ressentiments laut wurden.1957
1952 Heribert Husinsky , Vertrieb der „Akademischen Rundschau“ auf Hochschulboden von der Rektoren-
konferenz verboten. In : Akademische Rundschau , 2. Jg., 16. November 1946 , Nr. 8 , 1.
1953 Für die Freiheit der Hochschulen. Arbeiterzeitung , Nr. 261 , 9. November 1946 , 2. Am 28. Novem ber
1946 folgte eine Hausdurchsuchung der Staatspolizei in der Redaktion der Akademischen Rund schau in
der Kolingasse , nachdem diese am 23. November unter dem Titel „Unerhörte Provokation am Wahltag“–
so der Vorwurf – die Behörden herabgewürdigt hätte. Vgl. Vertrieb der „Akademischen Rundschau“ auf
Hochschulboden von der Rektorenkonferenz verboten. In : Akademi sche Rundschau , 2. Jg., 1946 , Nr. 8 ,
1 ; vgl. weiters : Akademische Rundschau , 2. Jg., 1946 , Nr. 11 , 6. Dezember 1946 ; siehe auch : Forster , Die
Geschichte der Öster reichi schen Hoch schülerschaft 1945–1955 , a. a. O., 130 f.
1954 „Mut zur Kritik“. In : Akademische Rundschau , 2. Jg., 1946 , 16. November 1946 , Nr. 8 , 2.
1955 „Für die Freiheit der Hochschulen“. In : Arbeiterzeitung , 9. November 1946 , Nr. 261 , 2.
1956 ÖSTA / AdR , BMI , Mappe : Die Hochschulwahlen in Wien , Anhang zu Tagesbericht Nr. 339 der PD
Wien , 16. November 1946 , 2. Zit. nach : Huber , Studenten im Schatten der NS-Zeit , a. a. O., 162.
1957 Siehe : Huber , Studenten im Schatten der NS-Zeit , a. a. O., 162 f.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741