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4. „The democratic way of life in Austria“
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Am 14. November kam es dann bei einer allgemeinen Wahlversammlung im Audito-
rium Maximum , an der laut Polizeibericht rund 200 Studierende niedrigen Semesters –
hauptsächlich Medizinstudenten – teilgenommen hätten und bei der auch Rektor Ada-
movich zugegen war , bereits zu heftigen Auseinander setzungen , die in der Presse breit
kommentiert wurden. Insbesondere nahmen aber die Volksstimme und die von den Sowjets
kontrollierte Österreichische Zeitung – wohl nicht zuletzt auch wegen der offen antikom-
munistischen Anfeindungen – die Ereig
nisse zum Anlass , die Gefahr eines Wiederaufle-
bens von nazistischem Gedanken gut sowie die bisherige , als völlig unzureichend erachtete
Entnazifizierung an den österreichischen Hochschulen hervorzuheben. Nachdem es auch
an der Hochschule für Welthandel ,1958 an der Juridischen Fakultät und am I. Chemi-
schen Institut zu antisemitischen und nazistischen Ausschreitungen mit „wüsten sowjet-
feindlichen Ausfällen“ gekommen war , bei denen dem Ex-Offizier und kommunistischen
Spitzen kandidaten Lothar Kloimstein „abknallen , diese Sau !“1959 entgegengebrüllt und in
provokativen Sprechchören „Wir wählen nicht schwarz , wir wählen nicht rot , wir wählen
schwarzweißrot“ skandiert worden sein soll , hatten sich die Wiener Hochschulen in den
Augen der kommunistischen Presse in „eine Keimzelle der verbrecherischen Tätigkeit fa-
schistischer Wehrmachts offiziere ver wandelt.“1960
Tatsächlich wurden die tumulthaften Vorfälle samt der nazistischen Provokationen auch
im Organ der sozialistischen Studenten bestätigt , das sich insbesondere angesichts der
deutlichen Resonanz derartiger Provokationen in der anwesenden Menge besorgte zeigte :
„SS-Männer , Ritterkreuzträger und kriegslüsterne Rufer werden mit Beifall empfangen , KZler
hingegen will man mit Gejohle und Pfeifkonzerten zum Schweigen bringen , österreichische
Freiheitskämpfer nennt diese Menge Feiglinge und der Militarismus jeglicher Art feiert fröh-
liche Urständ.
Dem Arbeiter , dem Antifaschisten , dem Manne mit gesundem Menschenverstand , bleibt es
ein Rätsel , wieso man in unserer Republik Eichenlaubträgern , Obersten und verbissenen Nazi
vor Ablauf einer gewissen Arbeitsfrist in einem Bleibergwerk das Studium und somit die Aus-
bildung zum faschistischen General der Reserve gestatten konnte.“1961
Diese Geschehnisse sowie die folgenden Ausschreitungen bei der ÖH-Wahl ver an lassten
dann auch den US-Gesandten in Österreich , John G. Erhardt , der grund sätzlich davon
1958 Dort war es u. a. nach Anwürfen gegen den sozialistischen Kandidaten Josef Schneeweiß , der als ehema-
liger politischer KZ-Häftling als ‚Feigling‘ beschimpft wurde , zur offenkundig einzig dokumentierten
Verhaftung eines Studenten durch die Staatspolizei gekommen , der in das Auditorium gerufen hatte :
„Heut lauft ihr dem Julius Deutsch nach , dem Saujuden , der in Amerika gesessen ist.“ Zit. nach : Huber ,
Studenten im Schatten der NS-Zeit , a. a. O., 167. f.
1959 Volksstimme , Nr. 267 , 16. November 1946 , 1.
1960 Österreichische Zeitung , 16. November 1946 , 1.
1961 „Provokationen und ihr Widerhall“. In : Strom , 2. Jg., Folge 39 , 23. November 1946 , 10.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741