Page - 479 - in Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
Neben allen , durch einstimmige Beschlüsse von Überprüfungs kommissionen bisher
schon rechtskräftig vom Studium Ausgeschlossenen , waren folgende Studierende „ab so-
fort unbedingt auszuschließen“: alle „hauptamtlichen Funktionäre sämtlicher national-
sozialistischer Organisationen“, „Angehörige der SD , der Gestapo , der zivilen SS und der
Totenkopfverbände“, „Angehörige der Waffen-SS“, die Träger „politi scher Auszeichnun-
gen“ ( Blutorden , Goldenes Ehrenzeichen der NSDAP , Goldenes Ehrenzeichen der HJ ,
Dienstauszeichnungen der NSDAP ), alle „Dienstgrade der SA vom Scharführer aufwärts“,
weiters alle „Führer der HJ und der DJ vom bestätigten Gefolgschaftsführer bzw. Fähnlein-
führer oder der Diensteinstellung eines Stamm führers bzw. Jungstammführers aufwärts“,
die „Führerinnen des BDM und der Jung mädel von der bestätigten Gruppenführerin
oder der Dienststellung einer Ringführerin aufwärts“ sowie „sämtliche Führer des RAD
im Offiziersrang“.2088
Allerdings waren diese verschärften Inskriptionsbestimmungen nur kurze Zeit in Kraft
und wurden mit dem zweiten Verbots gesetz vom 18. Februar 1947 zum Teil wieder zu-
rückgenommen. Eine Anfrage Rektor Adamovichs an das Bundeskanzler amt ergab zum
Beispiel , dass „nur die Angehörigen der allgemeinen SS“, aber nicht die ehemaligen An-
gehörigen der Waffen-SS „unter die belasteten Personen fallen und demnach bis 30. April
1950 vom Studium auszuschließen wären.“2089
Die Interpretation der Ereignisse rund um die ÖH-Wahl fiel zwischen den einzelnen
Studentenfraktion klarerweise überaus kontrovers aus und führte zu heftigen Anwürfen
gegenüber der Union ( FÖST ) seitens kommunistischer und sozialistischer Studenten , zu
heftiger Kritik an der Bagatellisierung der Naziprovokationen seitens der Akademischen
Vorsitzender : Ministerialrat Dr. Otto Starnbacher , Stellvertreter : Ministerialsekretär Dr. jur. Otto Perchter ;
Vertreter des Lehrkörpers : o.Prof. Dr. Wilhelm Koppers , Ersatz : o.Prof. Dr. Hans Leitmeier , o.Prof. Dr.
Karl Mras , o.Prof. Dr. Josef Weninger ; Vertreter der ÖH : stud.phil. Günther Hamann , Ersatz : stud.phil.
Otto Riedl , Johann Tuppy , Johann Moser ; Vertreter der ÖVP : Rechtsanwalt Dr. Adolf Keindl , Ersatz :
Dr. Franz Nowotny , Prof. i. R. Josef Holzmann ; Vertreter der SPÖ : NR Dr. Otto Tschadek , Ersatz :
Dr. Wilhelm Rosenzweig , Dipl. Ing. Erich Werner ; Vertreter der KPÖ : nicht genannt.
Überprüfungssenat für die Studierenden der Medizinischen Fakultät :
Vorsitzender : Ministerialrat Dr. Hans Kenda , Stellvertreter : Sektionsrat Dr. Ladislaus Thiel ; Vertreter
des Lehrkörpers : o.Prof. Dr. Otto Kauders , Ersatz : o.Prof. Dr. Walter Schwarzacher , tit.ao. Prof. Privat-
dozent Dr. Paul Huber , tit.ao. Prof. Privatdozent Dr. Hans Heidler ; Vertreter der ÖH : stud.med. Walter
Schwarz , Ersatz : stud.med. Reinhard Jagenbrein ; Vertreter der ÖVP : Dr. Hans Jiresch , Ersatz : Rechts-
anwalt Dr. Magnus Kahl , Richard Straub ; Vertreter der SPÖ : NR Anton Proksch , Ersatz : Dr. Wilhelm
Stemmer , Dr. Ernst Glaser ; Vertreter der KPÖ : nicht genannt.
Siehe : UAW , Dekanatsakten , Phil. Fakultät , 493–1946 / 47 , Zl. 591 / III / 7 / 47 , Bundesministerium für
Unterricht , an das Rektorat der Universität Wien , 11. Februar 1947 , 1 ff.
2088 UAW , Dekanatsakten Phil. Fakultät , 493–1946 / 47 , Zl. 45675–III / 7 / 46 , Politische Überprüfung der
Hoch schüler , Erlass Bundesminister Hurdes , 6. Dezember 1946 , 1 f.
2089 UAW , Dekanatsakten Phil. Fakultät , 493–1946 / 47 , GZ. 495–546 / 47 , Rektor Adamovich an den De-
kan der Philosophischen Fakultät , 25. März 1947 , 1.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741