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Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung
weise Österreichs geostrategische Rolle – Österreich stand bereits im „Western Camp“ –
ablesbar ist. Darin heißt es unter anderem :
“It is the position of the U.S. High Commissioner that the completion of denazifi cation in Austria
to its final conclusion , now that the war criminals and chief offenders have been largely disposed
of , is a responsibility of the Austrian Government under Austrian laws. It is believed that the
democratically elected Government of Austria will carry forward the solution of this problem
under the provision of Articles 9 and 10 of the draft treaty drawn up in Moscow on 25 April
1947 in a positive and constructive manner. Denazification has progressed to the point where
Nazi ideology does not constitute the principle threat to democratic government or to its in-
stitutions. To force denazification beyond a reasonable point might develop an unassimilable group ,
barred from normal participation in public life and private pursuits , which would be subversive in
attitude.”2177 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Die vollständige Überantwortung der Entnazifizierung an österreichische Stellen – im
Glauben an deren „positive“ und „konstruktive“ Vorgehensweise – sowie der sozial-
psychologisch inspirierte Hinweis auf die Gefahr einer überzogenen NS-Säuberung mar-
kieren den Übergang zu einer besatzungspolitisch generösen Haltung gegenüber einem
strategischen Kooperationspartner ; in der Folge kam es primär auf die Sicherstellung einer
positiven Einstellung gegenüber Amerika beziehungsweise gegenüber dem „American way
of life“ an
– auch wenn es dabei zunächst noch zu Konflikten zwischen zivilen und militä-
rischen Stellen hinsichtlich des bisherigen Vorgehens kam.
Die Tumulte bei den österreichischen Hochschülerschaftswahlen hatten jedenfalls Dis-
kussionen zwischen zivilen und militärischen US-Behördenstellen zur Folge , wobei sich
erstere insbesondere über die negativen Auswirkungen wegen der Passivität der amerika-
nischen Besatzungsmacht in der Frage der Entnazi
fizierung Sorgen machten
– wohl auch
im Hinblick auf die Auswirkungen auf die inneramerikanische Öffentlichkeit.2178
2177 NARA II , RG 260 , EDU-DIV , Box 8 / Folder 56. Statement of U. S. Position on Denazification , 15
December 1948 , 1.
2178 Welchen Stellenwert man der inneramerikanischen Berichterstattung über Erfolge oder Miss erfolge der
US-Besatzung in Österreich beimaß , zeig sich u. a. daran , dass selbst im Fall positiver Bericht erstattung
durch die Washington Post im Juni 1946 , die über große Erfolge bei der Ein führung neuer Methoden im
österreichischen Geschichtsunterricht berichtete – „Austria is stated to be the first country to adopt hi-
story teaching methods breaking with hero worship , and replacing them by respect for human beings“ –,
intern umgehend reagiert wurde , da dies eben gerade nicht den Tatsachen ent spreche und der Öffent-
lichkeit ein falsches Bild der Situation vermittelt würde. So teilte John G. Erhardt dem Secretary of State
in einem Schreiben mit : „There has been no important change as yet in Austrian teaching methods of the
sort suggested.“ Recordings of the U. S. Department of State relating to the Internal Affairs of Austria
1945–1954 ( Mikrofilm-Bestand Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien ), Decimal File , Reel 6 ,
1945–1949 , USFA , Office of the Political Advisor , John G. Erhardt to Secretary of State , Washington
D.C., Educational Methods in Austria , 21 June 1946 , 1.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741