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Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel
“As the training ground of the future leaders of German society , the universities occupy a stra-
tegic position in democratic reconstruction. For the German universities to fill adequately the
vital role which they are called upon to play , far more is needed than simple de-Nazification.
Their pre–1933 structure , and the attitudes of the majority of the academicians who dominated
them , made Hitler’s conquest of the universities a relatively simple matter. The ground had
been well prepared by the two seemingly opposed tendencies in the universities during the
Hohenzollern regime : the cult of nationalism and the ‘un-political’ scientific tradition
– the former
filling the vacuum left by the latter.”2264 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Soweit die klarsichtigen und von großem Weitblick getragenen Überlegungen und Beo-
bach tungen von Hugo Iltis und Carl E. Schorske , die lediglich weitere Beispiele für den
überaus ernsthaften und sehr reflektierten zivilen US-Reorientierungs-Diskurs dar
stellen ;
Überlegungen , die vor dem Hintergrund des sich bald verschärfenden Kalten Krieges al-
lerdings keinen direkten Einfluss auf den konkreten Wieder aufbau der Universitäten nach
1945 ausübten.
Bereits am 7. Juni 1945 wurde vom genannten „Advisory Committee“ jedenfalls ein ers-
ter Entwurf des „Longe-Range Policy Statement for German Reeducation“ vorgelegt und
zur weiteren Bearbeitung durch das „Coordinating Committee for submission to the Staff
Committee“ weitergeleitet.2265
Wie MacLeish hervorhob , basierte das Longe-Range-Strategiepapier auf spezifischen
Annahmen hinsichtlich der besonderen Rolle und Bedeutung der US-Militärregierung im
Zusammenhang mit der ökonomisch-wirtschaftlichen , sozialen , politischen und kulturel-
len Reorganisation in Deutschland und deren Bedeutung für die künftige US-Außenpoli-
tik. In den ersten Entwürfen , in denen an einigen Stellen noch der Einfluss Morgenthaus
spürbar ist , finden sich vergleichsweise harte Formu lierungen , die in der Folge aber aufge-
weicht beziehungsweise ganz entfernt wurden. So heißt es etwa in Paragraph 1 :
“The Advisory Committee has pointed out that an educational program cannot be devised in an
economic , social , and political vacuum. The reeducation of the German people should be an integral
part of a comprehensive program of rehabilitation which would eliminate Nazi and militaristic
influences and convince the German people of their defeat in the war and their responsibility
for the inhuman manner in which it was conducted.”2266 [ Hervorhebung d. Verf. ]
2264 Schorske , The Problem of Germany. Part II : Social and Cultural Aspects of the German Problem , a. a. O.,
127.
2265 NARA II , RG 165 , Box 174 , Coordinating Committee , Longe-range Policy for German Reeducation
( CC–59a ), 13. Juni 1945 , 1.
2266 Archibald MacLeish , Longe-Range Policy for German Reeducation , 4. Juli 1945. The U. S. Occupation
of Germany : Educational Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection , a. a. O., 1-A-223 , a. a. O., 2. Siehe
auch : NARA II , RG 165 , Box 174 , Coordinating Committee , Longe-range Policy for German Reedu-
cation ( CC–59a ), 13. Juni 1945 , 1.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741