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Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel
subject to the willingness of individuals and cultural communities outside of Germany , is to
encourage a resumption of carefully selected activities in the field of cultural relations between
other nations an non-Nazi elements in Germany.”2270
Konkret sollte das , wie sich bald zeigen sollte , neben der Bereitstellung einer breiten Pa-
lette von Büchern , Zeitschriften , Zeitungen , Filmen , Lehrmaterialien , wissen schaftlichen
Objekten , Musik , Literatur und Werken Bildender Kunst , ins besondere in Form von Aus-
tausch- beziehungsweise Besuchsprogrammen erreicht werden. Ausgewählte Personen , be-
vorzugt ( künftige ) Opinionleader oder Multiplikatoren , sollten die Möglichkeit erhalten ,
sich auf direktem Weg ein Bild von der Entwicklung in der freien Welt zu machen , wobei
mit ‚freier Welt‘
– unausgesprochen
– natürlich die USA gemeint waren.
Intendiert war – wie aus einem Anhang mit dem Titel „Assumptions on which policy
statement is based“ hervorgeht
–, neben der vollständigen Entfernung aller nazistisch-mi-
litaristischen Personen aus dem öffentlichen Leben und aus allen Bildungs- und Wissen-
schaftseinrichtungen sowie der Eliminierung aller Reste nationalsozialistischen Propagan-
damaterials , vor allem der ökonomische Wiederaufbau und die funda mentale Veränderung
der gesellschaftlichen Sozialstruktur in Richtung offener Demokratie.2271
Zentral an diesem , von US-Bildungsexperten unter Leitung von MacLeish ausgear-
beiteten , zivilen Reeducation-Konzept – das an die Arbeit des „Instituts on Re-education
of the Axis Countries“ anschloss – ist , dass es kein strategisches Planungsdokument des
Kalten Krieges darstellt. Im Gegenteil : Die Verfasser waren davon überzeugt , dass ein um-
fassendes , demokratisches Rehabilitierungs-Programm nur umgesetzt werden kann , wenn
es gelingt , einen gemeinsamen Nenner in der alliierten Besatzungs politik zu finden , um da-
durch die Gefahr einer ideologischen Instrumentalisierung demo kratischer Reorien tierungs-
Bemühungen zu ver meiden , wie es im Zusammenhang anlaufender politischer Planungen
zur Psychologischen Kriegsführung jedoch bald Realität des Kalten Krieges werden sollte :
“It was recognized that a basic policy directive in the field of education would be applicable not
only to formal education in schools and universities but also to programs of adult education
through mass media and otherwise. The Committee was acutely conscious of the danger that ,
unless the occupying powers agreed among themselves , Germany might be turned into a cockpit of an
ideological war with serious future implications. It was felt , therefore , that every effort should be
made to discover a common denominator of policy in this field which would be acceptable to
all occupying powers.”2272 [ Hervorhebung d. Verf. ]
2270 NARA II , RG 165 , Box 174 , Coordinating Committee , Longe-Range Policy for German Reeduca tion
( CC–59a ), 13. Juni 1945 , 3.
2271 Ebd., 2.
2272 The U. S. Occupation of Germany : Educational Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection , a. a. O., 1-A-
223 , a. a. O. Archibald MacLeish , Longe-Range Policy for German Reeducation , 4. Juli 1945 , 3.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741