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Elitenbildung über „Austauschprogramme“
weise die sukzessive Kompetenz abtretung in Fragen der Reorientierung keineswegs un-
vorteilhaft er scheinen2357 –, bis das Department of State dann im Dezember 1949 die
Gesamtverantwortung für alle Besatzungsagenden , somit auch für die Reorien tierungs-
Programme , übernahm.
Offiziell zementiert wurde der neue Kurs der US-Besatzungspolitik jedenfalls auf der
Berchtes gadener Reorientierungs-Konferenz im Dezember 1948. Hier erklärte General
Lucius D. Clay den versammelten OMGUS-Bildungs experten die geradezu historische
Bedeutung und Dimension ihrer Aufgaben : “It is a great gamble , this experiment in occu-
pation [ … ]. Probably never before in history has such an experiment been conducted. [ … ]
Will succeed only if you in the Education and Cultural Relations Division have succeeded
in implanting the seeds of desire for freedom [ … ]”.2358 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Alonzo G. Grace ,2359 der neue Leiter der „Education and Cultural Relations Division , OM-
GUS“ strich in seiner daran anschließenden Antrittsrede mit dem Titel „Beyond material
reconstruction. Reorientation of the German People“ den direkten Zu
sammen
hang von geis-
tig-mentaler Reorientierung und materiellem Wiederaufbau in ein
prägsamer Weise hervor :
“Heartening strides in material reconstruction have occurred under Military Govern ment
even before the Marshall Plan became effective. [ … ] European recovery and German re-
construction are one problem. The nearer we approach the solution to this problem , however ,
the more intricate becomes the problem of spiritual , moral intellectual and cultural redemp-
tion. A distressed but redeemed people may sell jewels and Meissen for bread , but an unredeemed
2357 So formulierten beispielsweise Mitglieder der „Educational Press Association of America“ nach einer
Reise durch die US-Besatzungszone in Deutschland und Österreich Anfang 1948 , die auf Einladung des
War Department erfolgt war , gegenüber US-Verteidigungsminister James Forrestal geharnischte Kritik
an der Politik der US-Militärregierung : „From the reports of these individuals , it is our feeling that much
more emphasis must be placed immediately , on giving support to the rehabilitation of the schools system
[ … ]. To date , it appears that a very small percentage of the effort on the part of our military government
towards rehabilitation of the countries has gone into the field of education. Materials and personnel are
needed immediately if the occupation is not to fall in its most important task.“ Siehe : The U. S. Occu-
pation of Germany : Educational Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection Congres sional Information
Service , edited by Gary H. Tsuchi mochi , Tokyo 1991 ( Bestand Institut für Zeitgeschichte der Universi-
tät Wien , Bibliothek ), 2-A–457.
2358 The U. S. Occupation of Germany : Educational Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection , a. a. O., 3-B–
473 , Office of Military Government for Germany ( U. S. ), Education and Cultural Relations Division ,
December 1948 , 2.
2359 Alonzo G. Grace , 35-jähriger Professor für Erziehungswissenschaft an der Universität Chicago und
zuvor auch „State Commissioner for Education“ im US-Bundesstaat Connecticut , löste im Dezember
1948 Herman B. Wells als Leiter der OMGUS Education Cultural Affairs Division offiziell ab und be-
hielt diese Position bis Ende 1949. Vgl. Alonzo G. Grace , Education in Occupied Germany. In : The Phi
Delta Kappan , Vol. 31 , No. 7 , March 1950 , 305.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741