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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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people will sell freedom and the rights of man again as easily as they did some fifteen years ago.”2360
[ Hervor hebung d. Verf. ]
Nach Evaluierung existierender OMGUS-Programme schaltete sich im Frühjahr 1949
das U.S. State Department über die „Public Affairs Branch“ ( Leiter : Robert D. Murphy )
und deren „German and Austrian Affairs Office“ direkt in die Reorientierungs-Planungen
ein , indem Henry J. Kellermann sowie sein aus Wien abgezogener Stellvertreter Martin F.
Herz2361 für die verant wortliche Leitung des Kultur austausches eingesetzt und direkt dem
Hoch kommissar unterstellt wurden.2362 Auf organisatorischer Ebene schlug sich das in der
Einrichtung der „Division of Inter national Exchange of Persons“ ( IEP ) nieder , die direkt
dem Assistant Secretary of State for Public Affairs unterstellt war , und die globalen Aus-
tauschprogramme – unter Einbeziehung privater und halbprivater ameri
kanischer Institu-
tionen
– analog zum „U.S. International Information and Educational Exchange Program“
koordinierte.2363 Wie sich zeigt , hatte die insbesondere vom State Department aus forcierte
Reorientierung , also die Kooperation in Erziehungs- und Bildungsfragen sowie der kultu-
relle Austausch auf allen Ebenen , spätestens Ende 1948 hohe besatzungs politische Priorität
und bildete im Verein mit der anvisierten wirt
schaft lichen und politischen Konsoli
dierung
das Konzept für eine stabile und nachhaltige Rehabili tierung Europas.
Das Herzstück dieser US-Reorientierungs-Doktrin die sich sowohl in der deutschen
als auch in der öster reichischen Besatzungszone durchsetzte und deren Kernelemente be-
reits im zivilen inner-amerikanischen Diskurs vor 1943 ausformuliert vorlagen , bestand
in der spezi fischen Verknüpfung von friedens liebendem Humanismus , sozialer Tole-
ranz und maxi malen individuellen Entfaltungs möglichkeiten mit ökonomi scher Freiheit
beziehungs weise durchschlagen dem wirt schaft lichen Erfolg und technischer Effizienz.
Die sukzessive Zuspitzung des Kalten Krieges ab 1947 / 48 veränderte dieses Para
digma
der US-Reorientierungs-Politik allerdings insofern , als sich nun zunehmend Konzepte
und Überlegungen psychologischer Kriegs führung und Propaganda mit der „edukativen“
und ursprünglich primär demokratie politischen Intention einer effizienten und nachhalti-
gen Popularisierung des „American way of life“ zu ver mischen begannen.
2360 The U. S. Occupation of Germany : Educational Reform 1945–1949 , Microfilm-Collection , a. a. O., 3-B–
473 , Office of Military Government for Germany ( U. S. ), Education and Cultural Relations Division ,
December 1948 , 2.
2361 Der Spezialist für psychologische Kriegsführung Martin F. Herz hatte zuvor ( 1945–1948 ) als US-
Botschaftssekretär in Wien gearbeitet. Siehe : Wagnleitner , Understanding Austria. Curriculum Vitae ,
a. a. O., 18.
2362 Ziel der Abteilung war „to develope a broad and effective program of cultural exchange , aiming especially
at the participation of those groups which are likely to promote the future democratic leadership in Ger-
many.“ Zit. nach : Schmidt , Civil Empire by Co-optation , a. a. O., 127 f. bzw. 133.
2363 Die Leitung des IEP hatten Francis J. Colligan und sein Stellvertreter Frederic O. Bundy inne. Siehe :
ebd., 133.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741