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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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setzes antrag allerdings nicht die nötige Unter stützung des „House Rules Committee“. Wie
Frank A. Ninkovich anmerkt , resultierte die Ablehnung neben der von kon
servativer Seite
ver muteten „Communist infiltration and pro-Russian policy“2384 des U.S. Department of
State insbesondere aus der grundlegenden Skepsis der isolationistischen Republikaner ge-
genüber der politischen Wirksam keit jeglicher Kultur
offensiven :
“It was apparent from previous appropriations struggles that the program was unpopular with
some of the more conservative congressman. Their criticisms derived from doubts as to the pro-
gram’s efficiency , and , more fundamentally , its effectual
ness. Many of the items in the program
–
the art exhibits in particular were a favorite target
– appeared to be ‘of little or no value’. [ … ] The
word ‘culture’ left a politically sour taste in the mouths of many conservatives , and the appointment
of the liberal MacLeish to the post of assistant secretary for public and cultural affairs did little
to remove it. Given these sentiment against the program , Representative Bloom was quoted as
saying that ‘all the educators want it passed but nobody else does.’ “2385 [ Hervorhebung d. Verf. ]
Darüber hinaus manifestierten sich in dieser Kultur-Debatte zwischen Modernisten bezie-
hungsweise liberal-internationalistischen New Dealern und konservativ-isolatio nis tischen
Traditionalisten – die unterschiedliche nationale Identitätskonstruktionen des „symboli-
schen ‚Amerika‘ “2386 zur Ansicht brachte
–, rasch Bruch
linien im Verständnis davon , was
unter ( amerikanischer ) Kunst überhaupt zu verstehen sei. So entlud sich Ende 1946 im
Zusammenhang mit einer vom Department of State organisierten Wander ausstellung un-
ter dem Titel „Advancing American Art“ als große Vernissage moderner ameri
kanischer
Kunst , in der 48 amerikanische Maler ihre Bilder in Europa und Latein amerika präsentie-
ren sollten , in den Medien eine heftige Kontro verse darüber , in wiefern die ausgewählten
avantgardistischen Arbeiten adäquate Zeugnisse „demokratischer“ ameri kani scher Male-
rei darstellten ; insbesondere in kon servativen Zeitungen und in der Yellowpress ( Hearst
Newspapers ) wurde die Schau als unverständlich , hässlich und absurd , daher als nicht
repräsentativ abqualifiziert und außerdem kommunistische Agitation vermutet.2387 Nach
heftigen Diskussionen im US-Kongress , wo unter anderem der Assistant Secretary of Sta-
te for Public Affairs , William Benton – selbst Kunst sammler –, das Ausstellungskonzept
darlegte und her vor strich , worum es dem State Department im Kern gegangen sei , näm-
lich dem nicht nur in Europa weit verbreiteten Vorurteil entgegenzutreten , „that Ameri-
cans are [ … ] a materialistic , money-mad race , without interest in art and without appre-
2384 Ninkovitch , The diplomacy of ideas , a. a. O., 122.
2385 Ebd., 121.
2386 Laura A. Belmonte , Selling the American Way. U. S. Propaganda and the Cold War , Philadelphia 2008 , 6.
2387 So verwies der Chefermittler des „House Committee of Un-American Activities“, Robert E. Stripling , in
in einem gesonderten Bericht darauf , einige der Künstler , die an der Ausstellung des State Department
teilnahmen , hätten angeblich „Communist affiliations“. Paulu , The Smith-Mundt Act : A Legislative
History , a. a. O., 304 bzw. 306.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741