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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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vermeintlichen „Überlegenheit der Rasse“ stellte Ford die reale Überlegenheit des freien
Amerika gegenüber – und zwar in Form der erprobten wirtschaftlichen und damit auch
‚mentalen‘ Überlegenheit des kapitalis tischen Systems :
“What has been achieved by America has been achieved not because of any superiority of race or resourc-
es , but because of a superiority of method. By giving freedom and opportunity to millions of people ,
we have released the greatest productive force the world has ever known. Long before America
found out how to achieve the terrific release of power which results from splitting the uranium
atom and effecting a chain reaction , America discovered the even greater power to be derived
by freeing the individual from monopolistic restraints of kings , dictators , privileged classes ,
governments or any other institution. The wealth and strength of America today is the product
of a tremendous chain reaction in the field of the human spirit.”2459 [ Hervorhebung d. Verf. ]
An dieser Stelle ist hervorzuheben , dass die zitierten Aussagen Henry Fords als durch aus
gewichtig anzusehen sind , zumal die seit 1936 bestehende Ford Foundation in den Vierziger-
und Fünfzigerjahren Milliarden Dollars in kulturpolitische beziehungs
weise propagandisti-
sche Unternehmungen investierte und auch schon vor dem Wechsel des Marshall-Planers
Richard M. Bissell zu Ford 1952 eng mit CIA-Stellen zusammenarbeitete und an deren ver-
deckten Aktivitäten teilnahm.2460 Frances Stonor Saunders meint dazu in ihrer gut recher-
chierten Studie zum „Kalten Kultur-Krieg“: „At times , it seemed as if the Ford Foundation
was simply an extension of government in the era of international cultural propaganda.“2461
Ähnlich , wenn auch in weitaus weniger blumiger Sprache wie Henry Ford , äußerte sich
dann auch Staatsekretär Dean Acheson anlässlich der Inaugural-Rede Harry Trumans
im Jänner 1949 , worin dieser sein „4-Punkte-Programm“ ( „The Truman ‚Point Four‘ Pro-
gram“ ) zur Aus weitung der technisch-ökonomischen Hilfe an unterentwickelte Länder
präsen tierte. Mit Bezug auf die Rede Trumans stellte Acheson klar , was nunmehr dekla-
riert Ziel der amerikanischen Politik war :
“[ … ] to make clear in our own country and to all the world the purpose of American Life and
the purpose of the American system. That purpose is to enable the individual to attain the
freedom and dignity , the fullness of life which should be the purpose of all government and of
all life on this earth [ … ]. To me the essential thing about it is the use of material means to a non-
material end.”2462 [ Hervorhebung d. Verf. ]
2459 Ebd., 7.
2460 Vgl. Berghahn , Transatlantische Kulturkriege. Shepard Stone , die Ford-Stiftung und der euro päische
Antiamerikanismus , a. a. O., 270 ff.
2461 Saunders , The Cultural Cold War , a. a. O., 139.
2462 „The Truman ‚Point Four‘ Program , 4. Februar 1949 , Department of State. Office of Public Affairs. Informa-
tion Memorandum No. 36 , 1., NARA II , RG 59 , 250 / 49 / 25 / 07 , Lot 52–95 [ Entry 1374 ] Box 1. General
Records of the Department of State. Record of Public affairs. Information Memorandums , 1948–1952.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741