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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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Committees eingerichtet , das direkt dem US-Präsidenten unterstand und dem Prozess der
Westintegration und der politischen Auseinandersetzung mit der sowjetischen Einfluss-
sphärenpolitik zu Friedenszeiten eine neue Dimension hinzu fügte.2466
Nach den Prager Ereignissen im Februar 1948 fielen die Agenden der „Reorientation“
zu nehmend in die Observanz zum Teil neugeschaffener geheimdienstlicher Abteilungen ,
wie dem bereits genannten „Office of Policy Coordination“ ( OPC ) oder der „Psychological
Warfare“-Abteilungen des State Departments sowie der CIA. Unter dem Vorwand eines
möglichen Krieges mit der Sowjetunion beziehungsweise ihrer Satellitenstaaten , milita-
risierten sich die ursprünglichen zivilen Demokrati
sierungs -Konzepte alsbald zur invasiv
konzipierten „Campaign of Truth“ beziehungs weise zum „Crusade for Freedom“, also zum
propa gandistischen Kreuzzug gegen jede Form mentaler Vorbehalte gegenüber Amerika.
Das geschah nun aber mit doppelter Stoß richtung : in den westlichen Besatzungszonen
Deutschlands und Österreichs , ebenso wie in den anderen westeuro päischen Ländern , ging
es um die Aufrechterhaltung und Sicherstellung pro-westlicher , also letztlich pro-amerika-
nischer Haltung sowie um die Ausschaltung jeglichen kommunistischen Einflusses ; hinter
dem Eisernen Vorhang um ( vor allem über Kurzwellensender betriebene ) systemdestabi-
lisierende Propaganda und Desinformation.
Ab 1948 begann die „Advisory Commission on Education Exchange“2467 fortlaufend
Broschüren zu publizieren , in denen die ideologische Stoßrichtung der kulturellen Aus-
tauschaktivitäten in unmissverständlicher Weise offen gelegt wurde. So steht darin unter
anderem zu lesen :
“Although hostilities ceased in 1945 , in a sense we are still at war
– a war of ideas which cannot
be won by military weapons. Antifreedom forces , advocating censorship , suppression , and co-
ercion of men’s minds , are attacking the United States’ motives , principles , and way of life.”2468
Dementsprechend sollte der intensivierte Ideen- und Meinungstransfer in Form persönli-
cher Kontakte sowie über den Austausch von „professors , specialists , teachers , and students“
selbst ausgeprägt kritische Geister überzeugen oder zumindest zu differenziert-gemäßig-
teren Ansichten über Amerika führen : „[ … ] those who have returned and still criticize us
do so with knowledge , constructively and without rancor.“2469
Nachdem Präsident Truman am 20. April 1950 in einer Rede vor der Amerikanischen
Gesellschaft der Zeitungsherausgeber erklärt hatte , dass entsprechende Informations-
2466 NARA II , RG 59 , Box 17. Office Memorandum. United States Government [ Top Secret ]. Ralph Block
to W. T Stone , 18. August 1948 , 1.
2467 Dieses Komitee folgte der bereits existierenden „Commission for International Educational Reconstruc-
tion“ des „American Council on Education“ ( ACE ) nach.
2468 Trading Ideas with the World. International Educational and Technical Exchange. Report of the United
States Advisory Commission on the Educational Exchange , 31. März 194 , 1.
2469 Ebd., 24.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741