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5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg
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Wilson M. Compton ,2519 der frühere Präsident der Washington State University ( 1944–
1951 ), der im Jänner 1952 die Leitung des neugegründeten „United States Inter national In-
formation Administration“ ( IIA ) im Department of State übernommen hatte ,2520 machte
am 23. Dezember 1952 in einer amerikaweit ausgestrahlten Rund funk rede Stimmung für
die kostenintensive , weltweite US-Kulturmission und Propagandainitiative. Dabei erklärte
er die Notwendigkeit eines gezielten Angriffs mit einem populären Vergleich zu den tak-
tischen Finessen des US-Nationalsports Baseball :
“No baseball game is ever won merely by good fielding , however good. Nor is any war
– hot or
cold – won merely by a good defense. Country by country throughout the world we are now
setting up individual information programs [ … ]. These programs are initiated by our own
missions in each country subject to review by Washington to assure that what we do overseas
is properly within the framework of United States policy. [ … ] To do this we must have public-
affairs officers in each country competent and willing to accept the responsibility and to take
an initiative , who see in this ‘crusade of ideas’ not a job but a mission [ … ]”.2521
Compton unterstrich in seinem landesweiten Aufruf zur Unterstützung im „Struggle for
men’s minds“, dieser antikommunistische „Kreuzzug“ sei keinesfalls eine einfach zu lösen-
de Aufgabe , sondern geradezu eine „Mission“
– „not a job but a mission“
–, die er
– durch-
aus humorbegabt
– kurioserweise am Beispiel Wiens als bereits vollständig erfüllt ansah :
“Two weeks ago I visited our modest Information Center on a prominent corner in Vienna. It
was crowded
– overcrowded. I saw two young men who couldn’t find a place to sit down using
the wall as a ‘table’ on which to copy from some well-thumbed magazines. During that day
3. 851 persons used the United States Information Center in Vienna. A few blocks distant , the
Soviet Union has a large building which houses the Soviet Union Information Service. Its
library and exhibits are very attractive in appearance. But there were fewer than 40 persons in
2519 Wilson Martindale Compton ( 1890–1967 ), studierter Ökonom , der zunächst in der Holzindustrie
zu arbeiten begann , bevor er 1944 zum Präsidenten der Washington State University ernannt wurde.
Compton stammte aus einer einflussreichen Wissenschafter-Dynastie : Sein Vater war Dekan des Woo-
ster College und seinen beiden Brüder Physiker : Sein Bruder Karl war Rektor des Massachusetts Insti-
tute of Techno logy ( MIT ) und sein zweiter Bruder Arthur Vorstand der Washington University in St.
Louis. Siehe : http://president.wsu.edu/presidents/compton.html [ Zugriff 24. 9. 2011 ]
2520 Vgl. FRUS , 1952–1954 , Vol. II. National Security Affairs , Part. 2 , 1591. Department of State Depart-
mental Announcement No. 4 , 2. Establishment of the United States International Infor mation Admini-
stration ( IIA ), Washington D.C., 16. Jänner 1952.
2521 Progress in the War of Ideas. Department of State Publication 4858. International Information and
Cultural Series 30 , [ Report by Wilson Compton , Administrator , U. S. International Information Admi-
nistration , Department of State , broadcast to a Nation-wide audience , 23. Dezember 1952 , Washington
D.C., 1953 , 2 f. ].
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741