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Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar –akademische Freiheit mit Hindernissen
“The Education Division reiterance its reluctance to assume the role of a mechanical assistance
in , and share the responsibility for a program in which Command has no voice concerning
policy and operating procedures. [ … ] the one-man control of the program , presents an annoy-
ing project that does not come within the defined respon sibilities and duties if the Education
Division which is charged with the administration of educational policies and procedures out-
lined by the Commanding General. [ … ] Nothing achieved by this program under its present
organization will reflect credit upon this Command as was demonstrated by the publicity given
to the Harvard Seminar last summer but unfavorable developments would undoubtedly prove
embarrassing.”2593
Wie Oliver Schmidt in seiner Analyse dieser Vorgänge pointiert zusammenfasst , hatte
der Geologe Williams Probleme mit dem offenen intellektuellen und kritischen Diskurs
innerhalb des Salzburger Seminars , der sich offenbar allzu sehr von seinem persön lichen
Verständnis „akademischer Freiheit“ und seinem Verständnis traditioneller amerikanischer
Werte unterschied : „Translated into plain English , the chief U.S. re-educator in Austria
had a problem with a ) the autonomy of the Harvard Student Council , and b ) a program ,
plus its personnel , which he feared was not ‚typical‘ or ‚traditional‘ enough
– that is , to left
of his own political convictions.“2594
Mit Bezug auf überlieferte Aussagen des österreichischen Politik
wissenschafters Adolf
Sturmthal ( 1903–1986 ) formuliert George Holt Blaustein Jr. den Verdacht , dass sich bei
Williams möglicherweise gelegentlich auch antisemitische Tendenzen zeigten. Sturmthal ,
der 1938 in die USA emigriert und selbst jüdischer Herkunft war , kam anlässlich zweier
geplanter Gastvorträge nach Wien und dabei mit Williams persönlich in Kontakt. Dabei
legte der Leiter der Education Division befremd liche , geradezu autoritär-paternalistische
Verhaltensweisen an den Tag und verlangte von Sturmthal , er müsse zuvor persönlich um
Genehmigung seiner Vorträge ansuchen und ihm darüber hinaus seine Redeunterlagen
vorlegen. Sturmthal wies dies zurück , worauf Williams mit folgenden Worten reagiert ha-
be : „Sergeant , if Professor Sturmthal gives even one more speech without my permission ,
put him on the next train leaving Austria.“2595
Obwohl Heller und Matthiessen , nicht zuletzt auf Grund der Urgenzen von Williams ,
im Mai 1948 auf Beschluss von General Keyes schließlich nicht mehr nach Österreich
2593 Ebd.
2594 Schmidt , Civil Empire by Co-optation , a. a. O., 340.
2595 Zit. nach : Blaustein , To the Heart of Europe : Americanism , the Salzburg Seminar , a. a. O., 202. Im Ori-
ginal : Adolf Sturmthal , Democracy Under Fire : Memoirs of a European Socialist ( übersetzt v. Suzanne
Sturmthal Russin , Durham 1989 , 169–170. Siehe auch die deutsche Übersetzung : Zwei Leben. Erin-
nerungen eines sozialistischen Internationalisten zwischen Österreich und den USA [ Democracy under
fire ] (= Böhlaus zeitgeschichtliche Bibliothek , Bd. 12 ). Hrsg. v. Georg Haupt feld / Oliver Rathkolb , unter
Mitarb. v. Christina Westmann , Wien – Köln 1989.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741