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6. Endphase der Besatzung
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siert wurde und nach neuerlichem Screening am Tisch des US-Hochkommissars General
Geoffrey Keyes landete. Nach Vorinformation durch den militärischen US-Geheimdienst
verhinderte dieser kurzerhand die USA-Reise Gleißners , ließ aber allem Anschein auch
die belastenden Unterlagen aus dem Berlin Document Center , das sich unter amerikani-
scher Verwaltung befand , entfernen.2631 In dem bei Kurt Tweraser zitierten Memorandum
des US-Directors of Intelligence heißt es bezüglich des Falles Heinrich Gleißner :
“The fact ( Gleißners Parteimitgliedschaft ) has been known to this headquarter since 20 May
1948. It is almost certainly known to the Austrian Government , or at least to the People’s Party
leaders , although the government has not been informed by us , nor we by them. It has not been
considered wise , in view of Dr. Gleißner’s superlative record as provincial governor and the
high regard in which he is held by both parties , to take any action on it. It would seem unwise ,
however , to sponsor a trip by Dr. Gleißner to the United States. If the above information were
exposed in connection with such a visit , the result would be most embarrassing both to this
headquarters and to the Austrian Government.”2632
Wie Walter Schuster dargestellt hat , kam die Angelegenheit dann noch ein letztes Mal
während der Präsidentschaftskandidatur Gleißners im April 1951 zur Sprache , als der frü-
here Leiter der US-Entnazifizierungsstelle , Zaring – der seine Erinnerungen an die Ent-
nazifizierungsarbeit in Österreich als „rather painful“ beschrieb – noch einmal gegenüber
dem nunmehrigen US-Hochkommissar Walter Donnelly Vorbehalte hinsichtlich der po-
litischen Integrität Gleißners äußerte.2633
Nach Abschluss des Staatsvertrages und der wiedererlangten Souveränität Österreichs
schien dann genügend Gras über die Sache gewachsen zu sein , sodass nun einer US-Reise
der beiden Landeshauptleute Klaus und Gleißner – wie schon beim ersten Anlauf auch
diesmal im Rahmen der US-Austauschprogramme – nichts mehr im Wege zu stehen
schien. Am 24. September 1956 meldete die US-Presse die Ankunft der beiden österreichi-
schen Politiker im Zusammenhang des „International Educational Exchange Program“:
„Heinrich Gleissner , Governor of Upper Austria , and Josef Klaus , Governor of Salzburg ,
are expected to arrive in New York [ … ]“.2634
res ) Mitglied der Deutschen Studentenschaft kurzfristig Vorgänger Heinrich Drimmels als „Sachwalter
der Österreichischen Hochschülerschaft“. Als pronocierter Deutschnationaler hatte sich Klaus als junger
Student und Vertreter des „Katholisch-Deutschen-Hochschulaus schusses“ gegen die Ernennung Ernst
Peter Picks zum Dekan der Medzinischen Fakultät gestellt und in einem offenen Brief verlautet , „dass
Professoren jüdischer Volkszugehörigkeit akademi sche Würdenstellen nicht bekleiden dürfen.“ Zit. nach :
Wagner , Von der Hochschülerschaft Österreichs zur Österreichischen Hochschülerschaft , a. a. O., 116.
2631 Vgl. Schuster , Politische Restauration und Entnazifizierungspolitik in Ober
österreich , a. a. O., 182.
2632 Tweraser , US-Militärregierung Oberösterreich. Bd. 1 , a. a. O., 233.
2633 Schuster , Politische Restauration und Entnazifizierungspolitik in Ober
österreich , a. a. O., 181.
2634 United States. Department of State. Press releases , Washington D.C. 1956 , viii.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741