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6. Endphase der Besatzung
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Diese globale Ausdehnung und Intensivierung sämtlicher US-Kulturaustausch pro-
gramme hatte freilich immense zusätzliche Kosten zur Folge , die Präsident Truman dem
Kongress selbst zur Beschlussfassung übermittelte.2650
Vor dem Hintergund dieser großangelegten antikommunistischen Propagandaschlacht ,
die vom Department of State choreografiert wurde , erfolgte am 16. Oktober 1950 auch in
Österreich – wie bereits zuvor in der US-Besatzungszone in Deutschland – ein Wechsel
in der Verantwortung für die US-Besatzungsagenden von der Army auf das Department
of State.2651 Der neue zivile U.S. High Commissioner für Österreich war ab nun Walter
J. Donnelly , der direkt dem U.S. Secretary of State unterstellt war und die früheren „civil
affairs“-Aufgaben des militärischen Hochkommissars in Österreich , Lieutenant General
Geoffrey Keyes , übernahm. Daneben behielt Lieutenant General S. Leroy Irwin , der sei-
nerseits direkt den Joint Chiefs of Staff unterstand , weiterhin den Oberbefehl über die
US-Armee in Österreich.
Wie eigens hervorgehoben wurde , bedeutete dieser Wechsel der besatzungs politischen
Verantwortung in Richtung State Department aber keineswegs eine geringere politisch-
strategische Beschäftigung mit Österreich : „The change to civilian administration does
not signify any lessening of our interest in Austria or change in our commitments toward
Austria.“2652
Doch wie bereits dargelegt , konnte sich Washington nicht zuletzt auch auf Grund der
seit 1948 / 49 laufenden geheimen sicherheitspolitischen sowie wirtschaft lichen Koope-
ration mit der österreichischen Bundesregierung , die sich als verlässli cher Partner auch
ohne formalen Bündnis erwiesen hatte , des Landes als westlicher Verbündeter ziemlich
sicher sein. Die politische Westorientierung galt es jedoch , zumal Österreich nach wie
vor keinen Staatsvertrag hatte und zum Teil von sowjetischen Truppen besetzt war , aus
2650 Ein interner Bericht hielt diesbezüglich fest : „In April of this year the President directed the Secretary
of State to plan a stronger and more effective national effort to mobilize the power of truth in defense
of peace and freedom. To that end the President submitted a supplemental estimate in the total amount
of $ 97. 212. 000 to provide for an intensification of the International Information and Educational Ex-
change Program in certain areas of the world where the threat of Communist aggression is of critical
concern to the national interests of the United States. The President emphasized at that time that he
regarded ‚such an expanded campaign of truth as vital to our national security‘ , and that ‚we will never
attain real security until people everywhere recognize that the free nations of the world are the true see-
kers of permanent peace‘. Of this total amount of 97,3 million , the Department of State estimated that
approximately 15,2 million dollars could be expended from available ECA counterpart funds.“ NARA
II , RG 59 , Box 43. Inter national Information and Educational Exchange Program. Statement of Facts ,
20. September 1950 , 1.
2651 NARA II , RG 59 , 250 / 49 / 25 / 07 , Entry 1324 [ Lot File 52–95 ] , Box 2 , General Records of the De-
partment of State. Records of the Office of Public Affairs. Information Memorandums , 1948–1952. De-
partment of State. Office of Public Affairs. Information Memorandum No. 102 , „United States Policy
Toward Austria“, 8. Dezember 1950 , 4.
2652 Ebd.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741