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6. Endphase der Besatzung
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Wie die SPÖ-nahe Salzburger Zeitung Demokratisches Volksblatt meldete , kam es bei den
Säuberungen im dortigen „Amerika Haus“ im Gefolge der Shine-Cohn-Visitation zur
grotesken Situation , dass alle deutschsprachigen Autoren „including Thomas Mann , Franz
Werfel , Stefan Zweig , Erich-Maria Remarque and Friedrich Torberg [ sic ] had been pur-
ged and were no longer available.“2659
In seinem Evaluationsbericht zur Einstellung der Europäer gegenüber Amerika stellte
das „Psychological Strategy Board“ fest , dass insbesondere diese Aktion sowie der harsche
Antikommunismus McCarthys einen erheblichen Prestige verlust der Vereinigten Staa-
ten nach sich zogen , Misstrauen in die Seriosität und Integrität der USA schürten und
gleichzeitig anti -amerikanische Ressentiments nährten. Die US-Geheimdienstfachleute
registrierten auch zunehmend Stimmen , die , angesichts der brutalen politi schen Hetzjagd ,
das demo
kratische Potenzial der amerikanischen Gesellschaft gerade im historischen Ver-
gleich zu Deutschlands jüngsten Erfahrungen stark in Zweifel zogen :
“Whether or not European reaction to Senator McCarthy is fundamentally the most active cause
of current distrust of American leadership , in many European minds ‘McCarthyism’ is used to justify
much of their dislike and distrust of the United States.
Rightly or wrongly , many articulate Europeans point to the possibility that McCarthy phi-
losophy may become dominant in the United States. They profess to see a powerful and pros-
perous country with an eligible Communist Party showing signs of acute alarm over dangers
of internal subversion , and they conclude that this country is either unsure of itself or has no
genuine attachment to some of the fundamental values of a democratic society. Recalling that in 1928 ,
barely four years before becoming Chancellor of Germany , Hitler and his Nazis polled only
three percent of the German vote , these European observers note that more than one-third
of the US electorate have a favorable view of McCarthy , and that one-fifth hold this opinion
intensely. They speculate on what might happen if America should suffer a disaster in foreign affairs
coupled with a depression akin to Germany’s in 1930–31.”2660 [ Hervor hebung d. Verf. ]
Auf das weltweite Auftauchen derartiger anti-amerikanischer Ressentiments , die im Zu-
sammenhang mit den fundamentalistischen Überwachungsaktivitäten McCarthys selbst
2659 Günter Bischof , Austrian Anti-Americanism after World War II. In : Draxlbauer / Fellner / Fröschl ( Eds. ),
( Anti- )Americanisms , a. a. O., 148. Allerdings irrt Günter Bischof , wenn er schreibt , dass die Bücher
der „kommunistischen“ Autoren Howard Fast , Agnes Smedley sowie diejenigen des afro-amerkanischen
Historikers W. E. B. Du Bois in Österreich aus dem Regal genommen wurden bzw. den beiden US-
‚Inquisitoren‘ in Österreich die Frage gestellt worden wäre , ob sie auch Mark Twain aus den Regalen
der US-Information Center entfernen würden
– dies bezog sich auf Fragen während einer Diskussion in
Schweden. Vgl. „Reported Decline in US Prestige Abroad“, 11. September 1953 , a. a. O., 1452.
2660 Special Report Prepared by the Psychological Strategy Board , „Reported Decline in US Prestige Abroad“,
11. September 1953 , 1486 f. FRUS , 1952–1954 , Vol. I. General : Economic and Political Matters ( in two
parts ). Part 2 , Washington D.C. 1983.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741