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6. Endphase der Besatzung
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Interessant ist , dass der Bericht des State Department in Bezug auf das „rating of U.S. Edu-
cational Exchange programs“ nun auch innerhalb der laufenden Austausch programme den
Fokus klar auf die Jugend legte : „1st for ‚youth‘ ; 3rd for the ‚Cultural Elite‘. ( Confidential )“2693
Ohne hier im Detail auf die vom State Department aufgelisteten Empfehlungen für die
weitere Durchführung der Personenaustausch-Programme einzugehen – so wurde bei-
spielsweise eine Ausweitung auch auf „influential Austrian personalities“ vor
geschlagen ,
deren berufliches Profil bisher nicht in die regulären Auswahlkriterien der Austausch-Pro-
jekte fiel2694 –, sollen zur Dokumentation doch einige Zahlenangaben zum quantitativen
Umfang der US-Austausch program me tabellarisch dargestellt werden ; und zwar obwohl
beziehungsweise eben weil die in der Literatur und in den Quellen oftmals kursierenden
Zahlenangaben zum Teil höchst wider
sprüchlich , in jedem Fall aber nicht kohärent sind.
So steht in einen US-Dokument zu lesen , dass bereits 1950 / 51 in Summe 916 ausländische
Studierende aus 50 Ländern mit einem US-Stipendium in die Vereinigten Staaten kamen ,
im selben Zeitraum aber 654 amerikanischen Studierende in 23 Ländern weilten.2695 Oliver
Schmidt schreibt , es seien nach Abschluss des Fulbright-Abkommens mit Deutschland
1952 / 53 im ersten Jahr bereits 253 deutsche Fulbrighter in die USA gekommen.2696
Reinhold Wagnleitner konstatiert , dass bis 1955 643 Österreicher über das „Exchange of
Persons Program“ in die USA kamen ,2697 deren Zahl bis 1988 allein im Zusammenhang der
Fulbright-Programme auf „insgesamt 2654 Stipendiaten“2698 anstieg. Thomas König prä-
sentiert hingegen in seiner Dissertation , in der er im Zusammenhang mit dem Fulbright-
Program men die unterschiedlichen Kategorien österreichischer „Grantees“ anführt ,2699 ei-
ne Tabelle , der zufolge
– wie bereits zitiert
– zwischen 1950 / 51 und 1960 / 61 lediglich eine
Gesamtzahl von 144 österreichischen ‚Fulbrightern‘ zu Studienzwecken in die USA kamen
( davon 128 Männer ).2700 Im Unterschied dazu verlautbarte das Department of State im Ju-
ni 1955 im Zu sammen hang mit der Vertragsverlängerung des Fulbright-Programmes mit
Österreich um weitere fünf Jahre gegenüber der Presse folgende Erfolgsmeldung , die zur
gleichen Zeit in Wien und Washington veröffentlicht wurde : „The United States and Aus-
tria today renewed for a second five-year period an agreement which already has provided
for the exchange of nearly 800 students , so called Fulbright Program.“2701
2693 Ebd.
2694 Ebd., 3.
2695 Launching the Campaign of Truth. First Phase , a. a. O., 18.
2696 Schmidt , Civil Empire by Co-optation , a. a. O., 153.
2697 Wagnleitner , Coca-Colonisation , a. a. O., 195.
2698 Ebd., 196.
2699 Dies waren v. a. : „Austrian Lecturers“, „Austrian Research Scholars“, „Austrian Teachers“ sowie „Aus-
trian Students“. Siehe : König , Das Fulbright Progamm , a. a. O., 116.
2700 König , Das Fulbright Progamm , a. a. O., 306 ff.
2701 NARA II , RG 59 , General Records of the Department of State. Bureau of Public Affairs. Inter national
Educational Exchange Service. European Country Files , 1951–1956. General Reports Austria [ Entry
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741