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6. Endphase der Besatzung
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ungenützt ließen , worauf bezeichnen der weise weder in den einschlägigen Berichten der
US-Exchange-Stellen noch auf Seiten geheimdienstlicher Analysen eingegangen wurde.
Dies ist umso erstaunlicher , als der Frauen anteil in der Bevölkerung Deutschlands und
Österreichs infolge der kriegsbedingt hohen Mortalitätsrate bei den Männern nach dem
Krieg überproportional hoch war und die Frauen generation der Nachkriegs-Aufbauära
damit zu einem der zentralen ‚Träger‘ auch der geistig-moralischen Reorientierung wurde.
Wie erste Analysen zum Zusammenhang von „Gender and Cold War“ zeigen , erfuhr das
heroisch-soldatische Nachkriegs-Narrativ der Siegermacht USA , das in erster Linie männ-
lich konstruiert war , während der Zeit des Kalten Krieges eine spezifisch veränderte Neu-
auflage. Im Zuge der heroisch aufgeladenen , globalen Abwehr der „Roten Gefahr“ ( „Red
Scare“ ) durch Politik , Geheimdienste und Militär , wurden maskulin-aggressive Stereotype
macht politisch aufgewertet und jede Form differenzierter , reflektierter Zurückhaltung und
um Ausgleich bemühter politischer „softness“ als subversiv , potenziell homo sexuell und da-
mit womöglich auch kommunistisch denunziert und letztlich politisch ver folgt :2707
“The full-blown emergence of a national security state dedicated to the production and control
of secrets , codified in the National Security Act of 1947 ( and the creation of the CIA ), con-
tributed to public fears of secret conspiracies fomented by men and women of concealed or
unstable political and sexual identities.”2708
Dieses Paradigma mag wohl unter anderem dazu beigetragen haben , dass sich auch im Be-
reich der US-Reorientierungs-Programme
– anders als das analog zu den zivilen sozialwis-
senschaftlichen Reeducation-Debatten der Kriegsjahre zu vermuten wäre , tendenziell eher
traditionelle Rollenbilder erhalten haben ,2709 Frauen jedenfalls nur in sehr eingeschränkter
Form als eigenständige Zielgruppe berücksichtigt wurden.
Mit Einrichtung der „United States Educational Commission in Austria“ ( USEC / A )
und dem Beginn der Fulbright-Programme in Österreich liefen die existierenden
„Exchange“-Schienen zwar zunächst weiter , aber der Fulbright-Austausch ersetzte – ähn-
lich wie in Deutschland
– auch in Österreich weitgehend die anderen , nun zur Gänze vom
2707 Vgl. Robert D. Dean , Imperial Brotherhood. Gender and the Making of Cold War Foreign Policy , Am-
herst – Massachusetts 2001 , 63 f.
2708 Ebd., 67.
2709 Die soziokulturellen Beharrungs- und Veränderungsprozesse im Hinblick auf die Rollenbilder der Ge-
schlechter sind freilich vielschichtiger und komplexer Natur und keineswegs auf eine einfache Kau-
salformel zu bringen. Wie in anderen Bereichen der Gesellschaft unterlagen auch die Rollen- bzw.
Frauenbilder Veränderungsprozessen im Kontext technisch-ökonomischer Moderni sierung , kultureller
Restaurationstendenzen quer durch die politischen Parteien der Nachkriegszeit sowie der transgenera-
tiven Erosion traditioneller Lebensentwürfe und Wertmaßstäbe. Vgl. Ingrid Bauer , Americanizing / We-
sternizing Austrian Women : Three Scenarios from the 1950s to the 1970s. In : Bischof / Pelinka , The
Americanization / Westernization of Austria , a. a. O., 171 ff.
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
- Subtitle
- US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
- Author
- Christian H. Stifter
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 762
- Keywords
- US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- Vorbemerkung 11
- Einleitung 15
- 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
- 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
- „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
- „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
- Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
- Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
- „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
- Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
- Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
- Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
- „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
- Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
- Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
- Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
- Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
- 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
- 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
- Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
- Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
- Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
- Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
- Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
- Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
- Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
- Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
- Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
- Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
- Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
- Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
- ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
- Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
- Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
- 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
- Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
- Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
- Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
- Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
- Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
- 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
- Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
- Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
- Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
- Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
- ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
- Schlussbemerkung 655
- Quellenverzeichnis 665
- Literaturverzeichnis 673
- Verzeichnis der Abkürzungen 735
- Personenverzeichnis 741