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Geschichte
Nach 1918
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration - US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
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Schlussbemerkung656 und nicht erst nach bereits erfolgtem Waffenstillstand  – dann wäre es , nach Ansicht der damaligen US-amerikanischen Friedensplaner , womöglich schon zu spät. Mit der Ein- richtung des „General Advisory Committee on Post-War-Programs“ der US-Regierung im Jahr 1942 wurden die vielfältigen Aktivitäten des zivil gesellschaftlichen Amerika zur Frage der Reeducation beziehungsweise Reorientation  – immerhin waren über 60 gro- ße US-Institutionen daran beteiligt  – für die Nach kriegs demokratisierung insbesondere Deutschlands und Österreichs gebündelt und als Weg einer künftigen Friedenssicherung auf europäischer Grundlage ins Auge gefasst. Die demokratische Umorientierung der indoktrinierten Bevölkerungen der Achsen- mächte beinhaltete allerdings bereits von Anfang an eine globale Komponente. Anstelle der bisherigen „westlichen Zivilisation“ sollte , so die Hoffnung Präsident Franklin D. Roosevelts , nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges und den begangenen Gräueltaten des NS- Regimes , eine „Weltzivilisation“ treten , die künftig auf der Freiheit des Individuums , freien wirtschaftlichen Entfaltungs möglichkeiten , gegenseitigem kulturellen Austausch , Lernen und auf Bildung beruhen sollte. Anders als jede andere gesellschaftliche Organisations- form , als jede andere Form von „way of life“, bedürfe die Demokratie  – darin waren sich alle US-Experten jener Jahre einig  – in besonderem Ausmaß einer adäquaten Erziehung und Bildung des Einzelnen , dessen Mündigkeit und Selbst bestimmung der Garant für dauerhaf- ten Frieden und Prosperität wären. Zentrales Element in diesem vielschichtigen und weit- verzweigten zivilgesell schaft lichen amerikanischen Demokratie-Diskurs , dessen Konzepte allerdings nur in sehr ein geschränkter Weise auf die nach folgenden militärischen Planungen für die Besatzungs zeit übertragen wurden , bildete die mentale Abrüstung , also die Elimi- nierung von nazistischem , rassistischem und autoritär-doktrinärem Gedankengut für eine nachhaltige Friedenssicherung nach Kriegsende. Als flankierende , langfristige Maßnahme zur Entmilitarisierung und Entnazifizierung sollte dann freilich auch , neben der ökonomi- schen Rehabilitierung und Stabilisierung , eine grundsätzliche Neuorien tierung des gesam- ten intellektuellen , kulturellen und politischen Lebens an demokratischen Wertmaßstäben , internationaler Koopera tion und zivil gesellschaft licher Partizipation wirksam werden. Im Unterschied zu den eindimensional-verkürzten Planungen der US-Militärs , die ana- log zur Kriegsdirektive des US-Generalstabs ( JCS 1067 ) in erster Linie auf kurz fristige Negativmaßnahmen nach Kriegs ende setzten  – dabei wurde der Komplex der Reeducation als reine Nebensache abgehandelt  –, dokumentieren die Konzepte der zivilen Experten , dass die „Reorientation“ als progressiver Entwurf einer humanistischen Friedens sicherung durch geistige Abrüstung und als zivilisatorisches Experiment mit globaler Dimension konzipiert war , das sowohl Sieger als auch Besiegte miteinschließen sollte. In heutiger Terminolo gie handelte es sich bei diesen Plänen um eine Mischung aus kommunitaris- tischer Verantwortung und „Active Citizenship“2733 entlang den als universal gültig er- 2733 Zu dieser aktuellen Debatte siehe u. a. : Andrew Lockyer / Bernard R. Crick / John Annette , Education for democratic citizenship. Issues of theory and practice , Aldershot 2003 ; Kevin McDonough / Walter
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Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration
Subtitle
US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Reorientierung und die Nachkriegsrealität österreichischer Wissenschaft 1941-1955
Author
Christian H. Stifter
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2014
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
762
Keywords
US-Reorientierung, Amerika, USA, Besatzungszeit, Demokratisierung, Amerikanisierung, Entnazifizierung, Kalter Krieg, Österreich, Universität, Wissenschaft, Wien
Categories
Geschichte Nach 1918

Table of contents

  1. Vorbemerkung 11
  2. Einleitung 15
  3. 1. Images , Stereotype und Vorurteile – Herkunft und Veränderung der kulturellen Geringschätzung der USA in Europa seit dem 18. Jahrhundert 31
    1. Das Bild Amerikas aus europäischer Sicht bis Anfang der 1930er-Jahre 33
    2. Spiegelung : Anmerkungen zum Bild Deutschlands und Österreichs aus US-amerikanischer Sicht 66
    3. NS-Feindbild Amerika : Antiamerikanismus als Kampf gegen „Niggerkultur“, „Judenstaat“ und „westliche Demokratie“ 82
  4. 2. „ Education for Victory“ – US-Demokratisierungs-Konzepte und die zivilen Reeducation-Planungen für ein post-totalitäres Europa , 1941–1945 97
    1. „Education in Wartime“ – Nationalsozialismus als Fundamentalbedrohung der US-amerikanischen Zivilgesellschaft 99
    2. „Our Country’s Call to Service“ – konkrete Auswirkungen des Verteidigungs- und Abwehr-Diskurses 107
    3. Binnenamerikanische Reeducation : Stärkung nationaler Moral , Militarisierung des Bildungswesens und Bildungsreform 108
    4. Educational Reconstruction – Überlegungen und Konzepte 1942–1943 / 44 zur Demokratisierung nach Kriegsende 138
    5. „What to do with the mentally ill Germans ?“ Ursprünge , Entwicklung und Veränderungen der zivilen Reeducation-Konzepte , 1940–1944 157
    6. Exkurs : die österreichische Emigration in den USA – ein kultur- und bildungspolitisch folgenloses Kapitel für die Nachkriegsplanungen 175
    7. Spätphase der zivilgesellschaftlichen Überlegungen und Konzepte zur Reeducation und Reorientation 1943 / 44–1945 – langfristige Reorientierung als Paradigma 201
    8. Missing Link : Fehlende Umsetzung der Reorientierungs-Konzepte in die militärischen Planungen , 1943–1945 210
    9. „Takeover“ durch die U.S. Army : Wirrwarr und Kompetenzgerangel – Ausdünnung der Reorientation auf ‚unpolitische‘ Säuberungsmaßnahmen 210
    10. Randnotiz zu einem fehlgeschlagenen Experiment der US-Armee – POW-Camps zur Reeducation 228
    11. Zur Rolle Österreichs in der Reeducation-Planung der US-Militärstäbe 1943 / 44–1945 239
    12. Österreich – ein unklarer Planungsfaktor alliierter Politik bis 1944 / 45 239
    13. Militärisch-gremiale Detailplanung für Österreich – Administrationsunterlagen ohne Reorientation als Ergebnis 248
  5. 3. Beginn der US-Reorientierung nach 1945 – die Education Division als zentrale US-Militärbehörde 265
  6. 4. „ The democratic way of life in Austria“ – erste Umsetzungsphase bis zum Nationalsozialistengesetz 1947 : Zwischen Laissez Faire , strenger Observation und milder Beurteilung 277
    1. Kooperation statt Intervention und die Folgen für die Entnazifizierung im Bildungsbereich : das Fallbeispiel Universität 277
    2. Ausgangslage : Perspektive nötiger ‚Säuberungsmaßnahmen‘ 277
    3. Bestimmungen zur Entnazifizierung in US-Planungsdirektiven 288
    4. Die Ausgangssituation an den Universitäten im Frühjahr 1945 292
    5. Personalsäuberungen durch „Sonderkommissionen“ und deren Senate 318
    6. Entnazifizierung am Beispiel der Universität Wien 346
    7. Rückkehr unerwünscht ? – Maßnahmen zur Rückholung österreichischer WissenschafterInnen aus der Emigration 365
    8. Fallbeispiel : Ernst Karl Winter ( 1895–1959 ) 373
    9. Fallbeispiel : Hans Kelsen ( 1881–1973 ) 393
    10. Fallbeispiel : Felix Ehrenhaft ( 1879–1952 ) 404
    11. Wissenschaftspolitische Restauration und amerikanisch- österreichische Beziehungen. Ein Zwischenresümee 410
    12. Rahmenrichtlinien und Entnazifizierung der Studentenschaft an Österreichs Universitäten 427
    13. ÖH-Wahlen November 1946 : erste Großdemonstration gegen „nazistische Umtriebe“ in der Zweiten Republik und die Folgen 448
    14. Auswirkungen der Hochschulkrawalle : Turbulenzen im Alliierten Rat , Re-Screening der Studierenden und Lehrkräfte 477
    15. Turnaround in der Entnazifizierungspolitik – Kontroverse zwischen State Department und War Department 502
  7. 5. US-Reorientierungs-Planungen im Frühen Kalten Krieg : Zwischen Popularisierung des „American Way of Life“ und Psychologischer Kriegsführung , 1947–1950 517
    1. Longe Range Policy 1946 / 47 – Paradigmenwechsel : langfristige zivile Reorientierungs-Konzepte anstelle militärischer Kontrolle 517
    2. Elitenbildung über „Austauschprogramme“: zentrales Element der besatzungspolitisch auf gewer teten US-Reorientierung ab 1947 / 48 548
    3. Die ideologische Überformung der US-Reorientierung durch Propagandakampagnen des Kalten Krieges 562
    4. Cultural Exchange – Rahmenbedingungen der US-Kulturoffensive 562
    5. Reorientierung und psychologische Kriegsführung : „War of ideas“ – „Campaign of Truth“ – „Struggle for Minds“ 573
  8. 6. Endphase der Besatzung : Akademische Austauschprogramme und ihre Umsetzung in Österreich , 1950–1955 595
    1. Beginn der „U.S. Exchange“-Programme – Seltsamkeiten und Pannen 595
    2. Kurzer Exkurs : das Salzburg-Seminar – akademische Freiheit mit Hindernissen 609
    3. Umstrukturierung und Expansion : neuer Anlauf unter Supervision des U.S. Department of State 616
    4. Übernahme durch das State Department – Instrumentalisierung des „Exchange-Program“ als Teil der psychologischen Kriegsführung gegen die Sowjetunion 625
    5. ‚Phasing out‘ – zivile Verwaltung und Beginn der Normalisierung 638
    6. Schlussbemerkung 655
    7. Quellenverzeichnis 665
    8. Literaturverzeichnis 673
    9. Verzeichnis der Abkürzungen 735
    10. Personenverzeichnis 741
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