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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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0 Karin Stögner und körperlicher Arbeit, in welcher erstere doch immer das Kommando über zweitere innehat. Wie eine Art „Schadensausgleich verpönter körperlicher Arbeit wirken denn auch die Bilder des verfemten „unproduktiven Juden“ oder Intellektuellen . Jeden- falls erlauben diese Bilder das Abladen von Unlustgefühlen, die der vom System er- zwungenen Triebverdrängung oder dem Triebaufschub innerhalb der kapitalistischen Warenwelt geschuldet sind. Von daher stammen auch die Vorstellungen des „gierigen Juden“ oder des „Verschwenderischen Weibes“ – beide hätten diesen Verzicht nicht zu leisten. Ganz wesentlich ist hier die erotische und erotisierende Komponente, die im Warenfetisch sich verdichtet, der selber zum Nährboden der Vorstellungen von Weiblichkeit und Geschlechtlichkeit wird, wie Benjamin darlegt : „,Geld macht sinn- lich‘ heißt es und diese Formel gibt selbst nur den gröbsten Umriß eines Tatbestandes, der weit über die Prostitution hinausreicht. Unter der Herrschaft des Warenfetischs tingiert sich der sex-appeal der Frau mehr oder minder mit dem Appell der Ware. Nicht umsonst haben die Beziehungen des Zuhälters zu seiner Frau als einer von ihm auf dem Markte verkauften ,Sache‘ die sexuelle Phantasie des Bürgertums intensiv angeregt.“ Die Krise der männlichen Identität und Sexualität im beginnenden zwanzigsten Jahrhundert ist vielfältig und gesellschaftlichen wie ökonomischen Veränderungen geschuldet, die schon viel früher einsetzten. In erster Linie zu nennen ist die Schwä- chung gesellschaftlicher und kultureller Ordnungs- und Verortungssysteme, welche zunehmend ihre soziale Bindekraft und ihr Identifikationspotenzial einbüßten : im We- sentlichen die Schwächung der Religion, aber auch das Aufsprengen der geschlechts- spezifischen Arbeitsteilung durch die Erfordernisse der industriellen Revolution. Die Entwicklung gipfelte in der nicht nur symbolischen, sondern auch tatsächlichen Ex- propriation des bürgerlichen Individuums durch den Wandel des Kapitalismus von seiner liberalistischen zur monopolistischen Phase. Durch die Emanzipationsprozesse waren zudem gewohnte gesellschaftliche Unterscheidungsmechanismen abhanden gekommen und mussten neu initiiert und kreiert werden : Der Diskurs um „Rassen“ und „Geschlechter“ war ein Ausdruck davon und ein Mittel zur Refabrizierung der Der Begriff des Intellektuellen war im Fin de Siècle noch relativ neu. Er entwickelte sich im Zuge der Proteste gegen den Antisemitismus während des Dreyfus-Prozesses und wurde, noch bevor er als Selbstbezeichnung diente, als Schimpfwort geprägt. In dieser abwertenden Fassung bedeutete der Be- griff des Intellektuellen : abstrakt, antinational, zersetzend, dekadent, kantisch, jüdisch – als solcher kam der Begriff während der Berichterstattung zum Dreyfus-Prozess nach Deutschland (vgl. Astrid Deu- ber-Mankowski, Der frühe Walter Benjamin und Hermann Cohen. Jüdische Werte, Kritische Philosophie, vergängliche Erfahrung, Berlin 2000, S. 371). Der Intellektuelle diente fortan als Projektionsschirm für Antisemitismus, Geistfeindschaft, kunstfeindliche und antiemanzipatorische Haltungen, Antiurbanis- mus und dergleichen. Benjamin, Das Passagen-Werk, S. 435 f.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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