Page - 295 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Image of the Page - 295 -
Text of the Page - 295 -
„Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“
Interesselosigkeit gegenüber jüdischen Themen vorgeworfen und sogar antisemitische
Stereotype wie Materialismus, Luxus, Mangel an Kreativität und Individualität von jü-
dischen Männern auf sie übertragen. Zugleich traf für viele der in der überkonfessio-
nellen Frauenbewegung engagierten Frauen das zu, was Alison Rose für jüdische Aka-
demikerinnen in Wien formulierte : „The women question overshadowed the Jewish
question […].“ Doch bedeutete dies für Aktivistinnen der Frauenbewegung nicht,
dass sie sich nicht mit dem Antisemitismus auseinandersetzten, wie u. a. das Beispiel
Leopoldine Kulka zeigt.
Was wurde aus den Frauen, als die Nazis kamen ? Viele der genannten Frauen wa-
ren 1938, sofern sie noch lebten, bereits in einem fortgeschrittenen Alter. Frauen über
sechzig bildeten die größte Gruppe der als „jüdisch“ deportierten Personen aus Wien. 9
Die hier vorgestellten Frauen waren Ende der Dreißigerjahre bereits in diesem Alter
oder bedeutend älter. Regine Ulmann starb mit einundneunzig Jahren im März 1939
in Wien. Ernestine von Fürth, Else Federn, Olly Schwarz und Yella Hertzka waren
bei ihrer Flucht über sechzig. Einzig Yella Hertzka kehrte nach dem Krieg nach Wien
zurück. Unmittelbar nach ihrer Rückkehr aus England im Jahr 1946 widmete sie sich
dem Wiederaufbau der österreichischen Sektion der „Internationalen Frauenliga für
Frieden und Freiheit“. Zwei Jahre später starb sie in Wien. Ernestine von Fürth starb
1946 in Washington, Else Federn im gleichen Jahr in einem Settlement in England,
ihre Schwester Etta Federn 1951 in Paris. Olly Schwarz starb 1960 in Chicago. Fanny
Freund-Marcus (1872- ?), die Mitgründerin und langjährige Präsidentin der „Reichs-
organisation der Hausfrauen Österreichs“ (rohö), wurde 1942, ebenso wie die Jour-
nalistin und Chronistin der Frauenbewegung Gisela Urban (1871–1943) und die
Schwestern Elise (1865–1943) und Helene Richter (1861–1943) nach Theresienstadt
deportiert. Sie überlebten das Konzentrationslager nicht.
Alison Rose, The Jewish Women as „Other“ : The Development of Stereotypes in Vienna 1890–1914, un-
veröffentlichte Dissertation, Jerusalem 1997. Die Arbeit erscheint 2008 bei University of Texas Press
unter dem Titel : Jewish Women in Fin-de-Siecle Vienna. ??????
Ebd., S. 14.
Malleier, Jüdische Frauen in Wien 1816–1938, Wien 2003, S. 142ff.
back to the
book Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus"
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519