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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Mit einem ›e‹ 1 Republik, „Ost-Phale“ und österreichischer Legitimist im Exil – gibt es doch erstaun- liche Kontinuitäten : Zu ihnen gehört auch ein antikapitalistischer und zugleich anti- modernistischer Antiamerikanismus. Das Leid von Roths Hiob ist nicht zu Ende, als er in das Gelobte Land Amerika kommt, es steht ihm eigentlich erst bevor : „Amerika hat uns getötet. Amerika ist ein Vaterland, aber ein tödliches Vaterland.“ Der Niedergang patriarchaler Verhältnisse, ein hohes Maß an Armut und Infra- struktur sowie der Einbruch der Moderne sind bestimmende Momente in einem historischen Drama, das die Juden in Osteuropa ereilt. Roths Texte sind melancholi- sche Dokumente einer zunehmend entzauberten Welt, die freilich – so die Diagnose – selbst einem bösen Zauber, der Magie des Geldfetischs, anheimfällt. Diese Diagnose ist, wenn man so will, der „linke Restbestand“ des fantastischen Monarchisten Roth. In beiden Fällen verlassen die Protagonisten die „alte“ Welt und schiffen sich in die „neue“ Welt, ins „Neue“ Jerusalem ein. Ganz anders ist Morgensterns Trilogie mit ihrer Schilderung einer „authentischen“ jüdischen Welt konzipiert, die durchaus wohlhabend ist, trotz aller Krisen und De- batten keine Weltuntergangsstation, sondern ein zur Zukunft hin offener Ort der De- batte, verbunden mit den Diskursen über den Zionismus. Soma Morgenstern schreibt – die Romantrilogie ist da übrigens viel eindeutiger als Morgensterns Position im Er- innerungsbuch über Roth (das mag auch mit dem zeitlichen Abstand zu tun haben) – im Schatten Herzls und des Zionismus. Er begreift diesen als die einzige realistische Option, das Judentum, die Menschen, als auch die geistige, religiöse Substanz, zu retten. Auch wenn er, wie gesagt, den assimilationistischen Aspekt von Herzls Uto- pie nicht übersieht, betrachtet sein Protagonist im Roman den Zionismus durchaus als ein zeitgemäßes Angebot. Morgenstern hat sich letztendlich nicht für Jerusalem, sondern für New York entschieden : das wirft noch einmal Licht auf die Bruchlinien moderner jüdischer Identität, die durch zwei Charakteristika geprägt ist : Modernis- mus und Judenvernichtung in Europa. Wenn ich es – aus einer Außenperspektive – richtig sehe, dann hat Morgensterns Position eine doppelte Identität – Diaspora in den usa oder Europa und Loyalität für die religiösen und säkularen Heimkehrer und Heimkehrerinnen – bis zum heutigen Tag eine erstaunliche Aktualität behalten. Aus Roths melancholischem Befund hingegen ließe sich – und das war ihm wohl klar und war Quelle seiner spezifisch jüdischen Melancholie – hingegen keine politisch tragfähige Position entfalten, wohl aber ein Moment an Reflexion bewahren, das wo- möglich nicht nur für den innerjüdischen, sondern auch für einen transjüdischen, „Westlichen“ Diskurs von Bedeutung ist. Bronsen, Joseph Roth, S. 353. Roth, Hiob, S. 307 (Kap. XIII).
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Subtitle
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
Author
Frank Stern
Editor
Barabara Eichinger
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2009
Language
German
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78317-6
Size
17.0 x 24.0 cm
Pages
558
Categories
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Table of contents

  1. Vorwort XI
  2. Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
  3. Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
  4. Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
  5. Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
  6. „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
  7. Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
  8. Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
  9. Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
  10. Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
  11. Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
  12. Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
  13. Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
  14. „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
  15. Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
  16. Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
  17. „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
  18. „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
  19. Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
  20. From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
  21. Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
  22. Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
  23. David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
  24. Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
  25. Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
  26. Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
  27. Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
  28. „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
  29. Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
  30. Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
  31. Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
  32. Personenregister 491
  33. Sachregister 503
  34. Biografien 519
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