Page - 417 - in Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938 - Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
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Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle 1
klassifiziert wurden, im sogenannten Zwischenraum der Faschingsveranstaltung keine
Geltung. Andererseits verkleidete man sich als Bauer oder Bäuerin, konnte somit de-
ren Eigenheiten imitieren und auch demonstrieren, dass sie auf keinen ethnisch-bio-
logischen Voraussetzungen beruhten, die bei Juden nicht vorhanden wären.
Zusammenfassung
Mit den vorliegenden Ausführungen wurde versucht zu zeigen, dass mit einem perfor-
mativen Ansatz Perspektiven auf die Geschichte der Juden gewonnen werden können,
die dominante Narrative hinterfragen. Zu diesen großen Erzählungen gehört u. a. die
Darstellung der Juden unter dem Aspekt ihrer Akkulturation. Die Ergebnisse, die aus
einer Analyse von singulären Praktiken resultieren, können diesem Interpretations-
muster widersprechen und haben es im Fall der angeführten Beispiele auch getan.
Warum, so könnte ein Einwand gegen die Verwendung von Performanz als metho-
dischem Ansatz lauten, hat er bislang den Akkulturationsbegriff nicht ersetzt ? Zeigt
sich in der Beständigkeit des Akkulturationskonzeptes nicht seine Unverzichtbarkeit
für die Historiografie ? – Im Folgenden sollen einige Gründe für dessen ‚Langlebig-
keit‘ angeführt werden. Keiner von ihnen gibt eine umfassende Erklärung ; aber alle
gemeinsam helfen zu verstehen, warum das Akkulturationsnarrativ nicht „entsorgt“
worden ist.
Zum Ersten basiert eine Beschäftigung mit dem Performanzbegriff auf keinem
Paradigmenwechsel in den Kulturwissenschaften. Wie Doris Bachmann-Medick aus-
geführt hat, stellt der performative turn, gleich wie der spatial turn, der translational
turn und andere Wenden, lediglich eine Neufokussierung in der Forschung dar. 9 An-
ders als bei einem Paradigma hat er keine normative Geltung innerhalb einer scientific
community. Man kann auf ihn zurückgreifen oder auch nicht.
Mit einem performativen Ansatz lassen sich, wie erwähnt worden ist, keine Erzäh-
lungen verfassen. Solange kulturelle Bedeutung für vergänglich und nicht fixierbar
gehalten wird, ist es gleichsam unmöglich, eine Entwicklung nachzuzeichnen und
damit einen größeren Zeitraum zu skizzieren. Eine stakkatoartige Darstellung von
Abschließend soll noch betont werden, dass im vorliegenden Artikel Performanz als methodischer An-
satz vorgestellt wurde. Daneben gibt es ihn auch als kulturelle Ausdrucksform. Damit beschäftigt sich
die Forschung immer nachhaltiger. Siehe u. a. Brigitte Dalinger, Verloschene Sterne. Geschichte des jüdi-
schen Theaters in Wien, Wien 1998. Marline Otte, Jewish Identities in German Popular Entertainment,
1890–1933, New York 2006.
Doris Bachmann-Medick, Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Hamburg 2006,
S. 17.
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Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Title
- Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938
- Subtitle
- Akkulturation - Antisemitismus - Zionismus
- Author
- Frank Stern
- Editor
- Barabara Eichinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2009
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78317-6
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 558
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Vorwort XI
- Einleitung. Wien und die jüdische Erfahrung 1900–1938 XII
- Was nicht im Baedeker steht Juden und andere Österreicher im Wien der Zwischenkriegszeit 1
- Jüdische Lebenserinnerungen. Rekonstruktionen von jüdischer Kindheit und Jugend im Wien der Zwischenkriegszeit 17
- Antisemitismus 1900–1938. Phasen, Wahrnehmung und Akkulturationseffekte 39
- „Hinaus mit den Juden !“ Von Graffiti und der Zeitung bis zur Leinwand 59
- Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit 71
- Die Stimme und Wahrheit der Jüdischen Welt Jüdisches Pressewesen in Wien 1918–1938 99
- Die israelitischen Humanitätsvereine B’nai B’rith für Österreich in der Zwischenkriegszeit und ihr Verhältnis zur „jüdischen“ Freimaurerei 115
- Tempel, Bethäuser und Rabbiner 131
- Die Geschichte der Ausbildung von Rabbinern in Wien seit dem 19. Jahrhundert 143
- Martin Bubers Weg zum Chassidismus 155
- Die jiddische Kultur im Wien der Zwischenkriegszeit und ihre Positionierungen in Bezug auf Akkulturation, Diasporanationalismus und Zionismus 175
- „Wenn Dich drückt der Judenschuh“. Blicke in die moderate Wiener Moderne 197
- Karl Kraus and Gustav Mahler Imagine the „Jews“ 217
- Antisemitisch-misogyne Repräsentationen und die Krise der Geschlechtsidentität im Fin de Siècle 229
- „Being different where being different was definitely not good“ Identitätskonstruktionen jüdischer Frauen in Wien 257
- „Jeder Sieg der Frauen muss ein Sieg der Freiheit sein, oder er ist keiner“ Jüdische Feministinnen in der Wiener bürgerlichen Frauenbewegung und in internationalen Frauenbewegungsorganisationen 277
- Gender and Identity. Jewish University Women in Vienna 297
- From White Terror to Red Vienna : Hungarian Jewish Students in Interwar Austria 307
- Feuilletons und Film. Béla Balázs – ein Dichter auf Abwegen 325
- Die Zukunft und das Ende einer Illusion – Sigmund Freud und der Erfolg der Psychoanalyse in den Zwanziger- und Dreißigerjahren 343
- David Vogel : Love Story in Vienna or the Metropolis 355
- Arthur Schnitzler. Facetten einer jüdisch-österreichisch-deutschen Identität 369
- Mit einem ›e‹. Zwischen Diaspora und Assimilation Ein Streit unter Freunden : Joseph Roth und Soma Morgenstern 385
- Jüdisches Leben im Wiener Fin de Siècle. Performanz als methodischer Ansatz zur Erforschung jüdischer Geschichte 399
- Felix Salten. Zionismus als literarisches Projekt 419
- „Schund“, „Jargon“ und schöner Schein Jüdische Erfahrung/en im jüdischen Theater 427
- Imago und Vergessen. Wienbilder und ihre unsichtbaren Urheber 439
- Frau Breier aus Gaya meets The Jazz singer Zwischen Bühne und Leinwand, Wien und New York 463
- Österreichische Filmmusik in Hollywood – eine Annäherung 483
- Personenregister 491
- Sachregister 503
- Biografien 519