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Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationaler Kooperation und
Konkurrenz14
intellektuellen Loyalitäten Einzelner beziehungsweise ganzer Forschungsgruppen zu
nationalen und internationalen Netzwerken, und wie beeinflusste dies ihre Forschungs-
praxis ? In diesem Zusammenhang ist auch zu untersuchen, ob und wie Wissens- und
Technikströme durch reaktivierte Netzwerke flossen oder infolge gestörter Beziehun-
gen unterbrochen wurden.
Das symbolische Kapital verweist nach Bourdieu auf die Fähigkeit der Akteure, sym-
bolische Handlungen dazu zu nutzen, eine bestimmte Position (im Feld beziehungs-
weise hier : im Netzwerk) zu beanspruchen und zu besetzen. Wissenschaftler und
Wissenschaftlerinnen verwiesen oft und gern darauf, wie wichtig die Einbindung in
den internationalen Forschungskontext für das Gelingen nationaler Projekte war. Im
Gegenzug forderten sie den Staat auf, ihre Dienste an der Nation entsprechend zu
belohnen, etwa durch die Finanzierung wissenschaftlicher Institutionen. Für das Bei-
spiel Österreich wurde die Frage, inwieweit naturwissenschaftliche Kreise die interna-
tionale Karte ausspielten, kaum untersucht. Weiters ist zu klären, ob und wie wissen-
schaftliche Konflikte mit nationalistischen Argumenten ausgefochten wurden.18
Ausgehend von den hier skizzierten Ressourcenkategorien soll gezeigt werden, wie
die Verfügungsgewalt über verschiedene Kapitalsorten die Machtverhältnisse im lokal-
regionalen wie auch im internationalen Netzwerk der Radioaktivistengemeinschaft
bestimmte.
1.2.3 Zentrum und Peripherie
Der Untersuchungszeitraum der Studie erstreckt sich vom Ausgang des 19. Jahrhun-
derts bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Radioaktivitätsforschung veränderte
sich in dieser Zeit grundlegend. Das Erkenntnisinteresse verschob sich, neuartige Ins-
trumente und Apparate kamen zum Einsatz, alte Zentren der Forschung wurden durch
neue abgelöst. Die Veränderungen waren nicht ausschließlich wissenschaftsintern
motiviert. Vielmehr war die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts durch eine Abfolge von
Kriegen, wirtschaftlichen Krisen und wechselnden politischen Herrschaftssystemen
geprägt. Der Erste Weltkrieg und das Ende der Österreichisch-Ungarischen Monar-
chie, das Scheitern der Demokratien in Europa, die nationalsozialistische beziehungs-
weise austrofaschistische Diktatur im Deutschen Reich und Österreich, schließlich der
Zweite Weltkrieg und die Befreiung vom Nationalsozialismus stellten bedeutende po-
litische Zäsuren dar, die sich auf das wissenschaftliche Feld auswirkten.
18 Das Beispiel der »Deutschen Physik« stützt die Hypothese, dass vor allem diejenigen wissenschaftlichen
Gruppen nationalistische Argumente einsetzen, die innerhalb ihrer Disziplin wissenschaftlich veraltete
Paradigmen vertreten. Vgl. Epple/Remmert 2000 ; Kleinert 1978.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369