Page - 236 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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5.
Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945
»I hoped that the slogan of this time,
›den Krieg für die Wissenschaft nutzbar zu machen‹
would really remain the only purpose
of many members of the U[ran]V[erein].«1
Das Jahr 1938 stellte für Österreich eine Zäsur dar. Nach dem Einmarsch deutscher
Truppen im März des Jahres verlor das Land seine politische Unabhängigkeit ; der
Name Österreich wurde liquidiert. Bis 1945 waren die »Reichsgaue der Ostmark« be-
ziehungsweise seit 1942 die »Alpen- und Donau-Reichsgaue« Teil des nationalsozialis-
tischen Deutschen Reiches.2 Die politischen Veränderungen gingen mit starken
personellen und strukturellen Veränderungen an den Universitäten und Hochschulen
des Landes einher. Die »Internationale der Atomforscher«, die auf der Zirkulation von
Personen und Forschungsergebnissen zwischen den Zentren der Kernphysik in Europa
und den USA gründete, begann sich bereits in den 1930er Jahren angesichts der ver-
änderten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen aufzulösen.3 Spä-
testens mit Beginn des Krieges 1939 drohte das Netzwerk der internationalen Kernfor-
schungseinrichtungen endgültig zu reißen.
Das vorliegende Kapitel widmet sich den Kontinuitäten und Brüchen, die die Ra-
dioaktivitäts- und Kernforschung in Österreich während des Zweiten Weltkriegs kenn-
zeichnen. Dazu zählt nicht nur die Vertreibung und Emigration jüdischer und poli-
tisch missliebiger Kernforscher und Kernforscherinnen. Auch die Mitarbeit der in
Österreich Verbliebenen am Forschungsprogramm des deutschen Uranvereins be-
stimmte die weitere Entwicklung. Wie veränderte sich deren Situation nach dem
»Anschluss« ? Welchen Stellenwert hatten die (Zu-)Arbeiten an einer »Uranmaschine«
für militärische oder zivile Zwecke ? Inwieweit berührte die Rivalität um knappe Res-
sourcen – Personal, Schweres Wasser, Uran – zwischen den Mitgliedern des Uranver-
eins die experimentelle Arbeit auf österreichischer Seite ? Inwiefern eröffnete das poly-
1 AIP, Samuel A. Goudsmit Papers, Series IV, Box 28, Folder 42 : Paul Rosbaud, Bericht vom 5.8.1945.
2 Vgl. Zöllner 1995, 32.
3 Stamm-Kuhlmann 1998.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369