Page - 182 - in Kerne, Kooperation und Konkurrenz - Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
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Kernforschung in Österreich,
1932–1938182
Standards anfielen.16 Ernest Rutherford, Marie Curie und Stefan Meyer erhielten
schließlich als höchste Repräsentanten der Internationalen Radiumstandard-Kommis-
sion die Erlaubnis, die in ihren Instituten vorhandenen älteren Standardpräparate
kostenlos gegen neue auszutauschen.17
Meyer schickte einen Teil der alten Wiener Standards umgehend nach Brüssel, und
auch der britische Standard wurde 1934 nach einem Vergleich mit dem neuen Stan-
dard ausgetauscht.18 In Paris wollte sich die Faculté des Sciences hingegen nicht von
ihrem alten Urnormal von 1911 trennen. Sie kaufte deshalb von der Union Minière
einen neuen Primärstandard und übergab ihn in das Eigentum der Internationalen
Radiumstandard-Kommission.19 Meyer und Rutherford nutzten auch in diesem Fall
ihre internationale Reputation zu ihrem ökonomischen Vorteil. Sie zahlten für die
neuen Hönigschmid-Standards symbolisch, indem sie der Union Minière ein Zertifi-
kat der Internationalen Radiumstandard-Kommission aushändigten.20 Vertreter an-
derer Staaten mussten für den Austausch ihrer sekundären Standards beziehungsweise
für neue Sekundärstandards bezahlen.
4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard-Kommission
Hönigschmid arbeitete in München fieberhaft an den neuen Radiumstandards, als
zwei langjährige Mitglieder aus der Internationalen Radiumstandard-Kommission
ausschieden : Marie Curie und Frederick Soddy. Noch bevor Curie die von ihr selbst
so heftig eingeforderten Kontrollmessungen vornehmen konnte, verstarb sie im Som-
mer 1934. Die geplanten Vergleichsmessungen zwischen dem alten und neuen Pariser
Urnormal rückten damit in weite Ferne.21 Soddy hatte die Aktivitäten der Internati-
onalen Radiumstandard-Kommission, insbesondere die Arbeit an den Tabellen radio-
aktiver Zerfallskonstanten, seit Beginn der 1930er Jahre mit wachsendem Unbehagen
16 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 14, Fiche 223 : Hönigschmid an Meyer vom 18.7.1933.
17 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 11, Fiche 179 : Union Minière an Meyer vom 18.4.1934.
18 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 11, Fiche 179 : Meyer an Union Minière vom 2.5.1934. Siehe
zur Situation in Großbritannien Christmas/Cross 1983, 25. Bis 1936 hatte das National Physical Labo-
ratory in Teddington 130 Gramm Radium, circa 20 Prozent des weltweit vorhandenen Vorrates, getestet.
Die meisten der getesteten Proben dienten medizinischen Zwecken. Ebd., 27.
19 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Karlik, K 49, Fiche 706 : Note sur la propriété de l’étalon de radium
international de Paris vom 8.10.1960.
20 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 18, Fiche 296 : Rutherford an Meyer vom 14.5.1934.
21 Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 22, Fiche 352 : Meyer an Joliot-Curie vom 17.10.1934. Der
Service de Mesures in Paris schloss die Vergleichsmessungen des alten und neuen Urnormals erst im
Frühjahr 1937 ab. Vgl. AÖAW, FE-Akten, IR, NL Meyer, K 22, Fiche 353 : Chamié an Meyer vom
5.4.1937.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369