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Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationaler Kooperation und
Konkurrenz16
Hinsicht zur wissenschaftlichen Peripherie zählten. Zum anderen ist danach zu fragen,
ob und wie sich das Verhältnis Wiens als dem alten und neuen politisch-kulturellen
Zentrum Österreichs zu den kleineren Universitätsstädten Graz und Innsbruck wan-
delte : Blieb deren peripherer Status im Hinblick auf die Radioaktivitäts- und Kernfor-
schung in Österreich erhalten oder gewann die Peripherie gegenüber dem im interna-
tionalen Wettstreit schwächelnden Zentrum an Bedeutung ?
1.3 Forschungsstand
Die historische Entwicklung der Radioaktivitätsforschung sowie der Kern- und Teil-
chenphysik wurde lange Zeit als Ideen- und Disziplingeschichte dargestellt. Darüber
hinaus gab es zahlreiche Biographien herausragender Wissenschaftler und Wissen-
schaftlerinnen.21 Die Studien waren lokal oder nationalstaatlich und in der Regel
monodisziplinär ausgerichtet. So kam in vielen Darstellungen der stark interdiszipli-
näre Charakter der frühen Radioaktivitätsforschung zu kurz. Wie Soraya Boudia und
Néstor Herran am französischen und spanischen Beispiel in den 1990er Jahren zeigten,
interessierten sich Chemiker, Physiker, Ärzte und Geologen gleichermaßen für das
neue Phänomen, weshalb eine ungewöhnlich große Vielfalt von Arbeitsstilen und
Praktiken der einzelnen Disziplinen in das Forschungsfeld einfloss.22
Die soziale Praxis der Radioaktivitäts- und Kernforschung in einem internationalen
Kontext fand lange Zeit kaum das Interesse wissenschaftsgeschichtlich arbeitender
Autorinnen und Autoren.23 Frühere wissenschaftssoziologische Studien, welche die
eingangs skizzierte Ressourcen-Kategorie in ihrer Analyse verwenden, bezogen sich
meist auf einen nationalstaatlichen Kontext.24 Dies gilt auch für den späteren Versuch,
das Verhältnis von Wissenschaft und Politik mittels dieser Kategorie analytisch zu er-
fassen und zu beschreiben.25 Die US-amerikanische Wissenschaftshistorikerin Elisa-
beth Crawford, die zu Beginn der 1990er Jahre Prozesse der Internationalisierung in
den Naturwissenschaften am Beispiel der Nobelpreisvergabe untersuchte, bemerkte in
Hinblick auf die fehlende internationale Dimension der (Atom-)Physikgeschichts-
schreibung treffend :
21 Siehe etwa Pais 1986 ; Stuewer 1983 ; Segré 1980.
22 Vgl. Herran 2008a ; Herran 2008b ; Boudia 1997, 254.
23 Dagegen sind Internationalisierungsprozesse in der Mathematik gut untersucht worden. Vgl. Parshall
2002.
24 Vgl. beispielsweise Latour 1989.
25 Vgl. Ash 2002.
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Kerne, Kooperation und Konkurrenz
Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Title
- Kerne, Kooperation und Konkurrenz
- Subtitle
- Kernforschung in Österreich im internationalen Kontext (1900–1950)
- Author
- Silke Fengler
- Editor
- Carola Sachse
- Mitchell G. Ash
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2014
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-205-79512-4
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 380
- Keywords
- Institute for Radium Research, nuclear research in Austria, History of science, National Socialism, The Cold War --- Radiuminstitut, Kernforschung in Österreich, Wissenschaftsgeschichte, Nationalsozialismus, Wissenschaftskooperation, Kalter Krieg
- Categories
- Naturwissenschaften Chemie
- Naturwissenschaften Physik
Table of contents
- 1. Kernforschung in Österreich im Spannungsfeld von internationalerKooperation und Konkurrenz 9
- 2. Österreich-Ungarn und die internationale Radioaktivitätsforschung, 1899–1918 30
- 3. Von der Radioaktivitäts- zur Atomzertrümmerungsforschung, 1919–1932 93
- 3.1 Die Naturwissenschaften in Österreich nach 1918 94
- 3.2 Das regionale Netzwerk festigt sich 97
- 3.3 Das Zentrum (re-)formiert sich 109
- 3.4 Das Zentrum in Aktion : Atomzertrümmerungsforschung als internationales Projekt 140
- 3.5 Die Anfänge der Atomzertrümmerungsforschung als Geschäft der Reichen 176
- 4. Kernforschung in Österreich, 1932–1938 178
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 4.1.1 Neue Standards für die Internationale Radiumstandard- Kommission 179
- 4.1.2 Neue Mitglieder für die Internationale Radiumstandard- Kommission 182
- 4.1.3 Der Ruf nach höchsten Spannungen in der internationalen Kernphysik 185
- 4.1.4 Die Wiener Reaktionen 190
- 4.1.5 Das Polonium-Netzwerk im Dienst der Neutronenforschung 193
- 4.1.6 Höhenstrahlungsforschung zwischen Peripherie und Zentrum 200
- 4.2 Das Zentrum verliert den Anschluss 206
- 4.3 Kernforschung in Österreich als nationales Projekt 226
- 4.4 Wüstentrockenheit auf dem Gebiet der Atomzertrümmerung 234
- 4.1 Das Zentrum behauptet sich 179
- 5. Kernforschung im Kontext des »Dritten Reiches«, 1938–1945 236
- 6. Kernforschung für die Alliierten – ein Epilog 307
- 7. Schluss 322
- 8. Anhang 334
- Abkürzungsverzeichnis 334
- Verzeichnis der benutzten Archivbestände 336
- Literaturverzeichnis 340
- Personenregister 369