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to die Hofkanzlei) zur Bestätigung weitergeleitet. Bei unterschiedlichen Urteilen
wurde der Fall vertagt, alle Zensoren mussten die fragliche Schrift lesen und sich
eine Meinung bilden. Wenn dann noch immer keine einhellige Beurteilung
erzielt werden konnte, wurden alle Meinungen zu Protokoll genommen und die-
ses ebenfalls der Kaiserin zur Entscheidung übergeben. Die verbotenen Titel
wurden in Form von etwa monatlich zusammengestellten Consignationen in
die Provinzen versandt und am Jahresende als Nachtrag zum Catalogus librorum
prohibitorum zusammengefügt. In einem merkwürdigen Ritual wurden in den
Kommissionssitzungen zudem die bei Privatpersonen beschlagnahmten verbo-
tenen Bücher „von sammentlichen denen Censoribus und ihme [dem Sekretär
der Kommission] sogleich in Stücke zerrissen und vertilget.“51 Nur theologische
und politische Literatur wurde, sofern noch nicht vorhanden, in die kaiserliche
bzw. die erzbischöfliche Bibliothek inkorporiert.
Eine wichtige Position mit aufwändigen Aufgaben nahm der Sekretär ein. Er
verbrachte die meiste Zeit im Bücherrevisionsamt, wo die aus dem Ausland ein-
langenden Bücher gestapelt und auf verbotene Ware hin durchgesehen wurden.
Noch unbekannte Titel wurden ebenfalls aussortiert und dem fachlich zustän-
digen Zensor zur Begutachtung zugewiesen. Bei dieser Tätigkeit waren mög-
lichst umfassende Sprachkenntnisse vonnöten. Van Swieten bestätigte dem 1762
in der Kommission tätigen Sekretär Grundner Kenntnisse des Deutschen, Fran-
zösischen, Lateinischen, Englischen, Spanischen und Italienischen.52 Auch bei
der Zulassung von Manuskripten war der Sekretär gefordert: Er nahm die jeweils
abzuliefernden zwei Exemplare entgegen, reichte eines an einen Zensor weiter
und behielt im Fall positiver Beurteilung durch den Zensor das andere bis zur
Fertigstellung des Druckes, um überprüfen zu können, ob der Druck mit dem
genehmigten Manuskript übereinstimmte.
Die Information über das Verbot eines bestimmten Buches war bis zur Grün-
dung der Zensurkommission von Fall zu Fall in Form einzelner Verordnungen
verbreitet worden. Dieses Verfahren war schwerfällig und führte zwangsläufig
zu Informationslücken. Es war geeignet, solange der Buchmarkt klein und über-
schaubar blieb. Um die genannten Unzulänglichkeiten zu beseitigen, wurde 1754
der laufend ergänzte und aktualisierte Catalogus librorum prohibitorum einge-
führt. Für den Zeitraum 1751 bis 1780 konnten 4701
Verbote ermittelt werden,
was pro Jahr durchschnittlich 157 verbotene Titel ergibt.53 Dass der Catalogus
51 Aus einem Bericht an die steirische Landesregierung mit dem Titel „Kurze Nachricht von Ein-
richtung der hiesigen Hofbüchercommission“; zitiert bei Fournier: Gerhard van Swieten als
Censor, S. 419; Text im Anhang.
52 Vgl. Fournier: Gerhard van Swieten als Censor, S. 420.
53 Vgl. dazu unten das Kapitel 2.4. zur Statistik. Hadamowsky: Ein Jahrhundert Literatur- und
Theaterzensur, S.
294, liegt mit seiner Berechnung (4615
Titel) knapp unterhalb dieser Marke.
Die Differenz ist wohl dadurch zu erklären, dass zusätzlich zu den von Hadamowsky ausge-
2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 55
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510