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revisionsamt, Kontakte zwischen Zensor und Autor bzw. Verleger waren zu ver-
meiden. Nachdrucke und Übersetzungen waren ebenso wie Manuskripte zur
Zensur einzureichen. Auch Verzeichnisse von zum Verkauf oder zur Versteige-
rung angebotenen Büchern mussten der Zensur vorgelegt werden. Wenn dabei
grob anstößige oder ehrenrührige Schriften auftauchten, wurden sie nicht wie
sonst üblich außer Landes geschickt, sondern kurzerhand vernichtet. Die Ver-
sendung von in Österreich verbotenen Manuskripten zum Druck im Ausland
war verboten. Die meisten Paragraphen wurden offensichtlich geschaffen, um
Missbräuche in der Buchproduktion und -distribution abzustellen. Auch wurde
die Zensurschraube in diesen Jahren merklich angedreht. Die Verbotszahlen
kletterten auf eine Höhe, die auch gegen Ende des Vormärz, trotz stark angestie-
gener literarischer Produktion, nicht mehr übertroffen wurde.9 Bereits 1798
kommentierten satirische Beobachter die frenetische Verbotstätigkeit in Öster-
reich sarkastisch: „Mit Schrecken sieht man, daß die Zahl der Bücher, über wel-
che die Herrn zu Wien das Interdikt aussprechen, jedesmal um so vieles ansehn-
licher wird, daß schier zu befürchten steht, sie werden in wenig Jahren den
Meßkatalogus über Bausch und Bogen verbieten.“10 Die österreichische Zensur
galt aufgrund ihrer Strenge unter Gleichgesinnten offenbar weithin als muster-
gültig. So dekretierte der russische Zar Paul I. 1799, dass Werke, „welche von
der Wiener oder andern regierenden Herren Censur“ verboten worden waren,
auch aus Russland ausgesperrt bleiben sollten.11 Umgekehrt galt ein Verbot in
St.
Petersburg auch als Argument, ein Theaterstück in Österreich zu verbieten.12
Nachdem im josephinischen Jahrzehnt die Listen der verbotenen Bücher nur
unregelmäßig erschienen waren, wurden sie seit 1792 konsequent monatlich
kompiliert und an die zuständigen Stellen in der gesamten Monarchie versandt.
Da anscheinend auch mit diesen Listen Missbrauch getrieben wurde, waren sie
ab März 1797 nur noch für die Revisions-, Kreis- und Mautämter bestimmt, alle
anderen Interessenten mussten sich um eine Scheda für die Listen bewerben.13
Da die Verbotslisten als Lektüreanleitung gesucht waren, brachte der Prager
9 Vgl. die Angaben unten im Abschnitt zur Statistik.
10 Jacob Pickharts Peregrinationen. 2
Bde. Leipzig: Supprian 1798. Bd.
1, S.
43–44; zitiert in Dirk
Sangmeister: Erkundungen in einem wilden Feld. Clandestine und subversive Literatur Erfur-
ter Autoren und Verlage im Zeitalter der Französischen Revolution. In: Dirk Sangmeister/Mar-
tin Mulsow (Hg.): Subversive Literatur. Erfurter Autoren und Verlage im Zeitalter der Franzö-
sischen Revolution (1780–1806). Göttingen: Wallstein 2014, S. 7–70, hier S. 28.
11 Zitiert bei Dirk Sangmeister: Vertrieben vom Feld der Literatur. Verbreitung und Unterdrü-
ckung der Werke von Friedrich Christian Laukhard. Bremen: edition lumière 2017, S.
33, nach
der Neuen Allgemeinen Deutschen Bibliothek 1799, Intelligenzblatt, Nr. 34, S. 280.
12 Vgl. Anhang, S. 413.
13 Vgl. Madl/Wögerbauer: Censorship and Book Supply, S. 82. Vorhanden sind zumindest Teil-
bestände der Listen auch an den großen Bibliotheken, in Wien an der Österreichischen Nati-
onalbibliothek und der Universitätsbibliothek.
3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 95
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510