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gegen den Verkauf verbotener Bücher herrschten und zudem die Ablöse der
Bücherlager ziemlich kostspielig gewesen wäre.
Besonders betroffen waren Verlage, die Bücher produziert hatten, die nun
plötzlich verboten waren. Besonders unangenehm wirkte sich dies bei Gesamt-
ausgaben der Werke eines Autors aus, von denen jetzt einige Titel bzw. Bände
herausfielen. Ein solcher Autor war Wieland, dessen Werke von Schrämbl bzw.
dessen Nachfolger Christian Krotz in Wien herausgebracht worden waren.
Zunächst stellte sich das banale Problem der Information: Da die Verlage und
Buchhändler die Verbotslisten nicht erhalten durften, was selbstverständlich
auch für die Ergebnisse der Rezensurierung galt, wurden die nach der Rezensur
verbotenen Titel nach und nach im Bücherrevisionsamt zur Information ange-
schlagen. Da auch das die Gefahr barg, dass die Buchhändler die Listen abschrie-
ben, wurden die Titel der verbotenen Bücher zeitweise nur vorgelesen, man ver-
traute also auf das Memorierungsvermögen der Buchhändler bzw. ihrer Gehilfen.
Jedenfalls waren die Buchhändler angewiesen, Listen der in ihren Beständen
vorhandenen, nun verbotenen Bücher vorzulegen.
Ein gewichtiges Problem stellten die Schadenersatzforderungen der Verleger
dar. Allein die 29.000 Bände der oben erwähnten Wieland-Ausgabe repräsen-
tierten den (geschätzten) Wert von 21.750 Gulden, einen solchen Verlust hätte
ein Verlag wirtschaftlich kaum überlebt. Daher endeten die Diskussionen um
den fälligen Schadenersatz 1807 mit der salomonischen Entscheidung, den Ver-
kauf der Bestände nun verbotener Bücher zu gestatten, allerdings ohne Aufse-
hen und Ankündigung in Katalogen oder Periodika32 und nur an Personen, von
denen sich „wahrscheinlicherweise nach ihrer Erziehung, Stand oder Charakter
kein Mißbrauch befürchten läßt“,33 also nach einem der Vergabe von Scheden
analogen Verfahren.
Im Zuge der Rezensurierung wurde 1803 ein Leitfaden erstellt, der das Pro-
zedere der Zensurvorgänge und die Richtlinien für die Beurteilung einzelner
Buchgattungen vorgab.34 Sie traf folgende Bestimmungen: Alle Manuskripte, auch
Neuauflagen, zum Nachdruck bestimmte Bücher und Übersetzungen werden
32 Schembor: Meinungsbeeinflussung durch Zensur, S.
79 u. 87; vgl. zu dem Fall auch Otto Rau-
scher: Der Wiener Nachdruck und die Zensur von Wielands Werken. In: Chronik des Wiener
Goethe-Vereins 39 (1934), S. 39–41.
33 Archiv der Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, 1807, 42 (10.
Okto-
ber 1807).
34 Vgl. Julius Marx: Die österreichische Zensur im Vormärz. Wien: Verlag für Geschichte und
Politik 1959, S. 12. Diese Instruktion fand sich vor dem Justizpalastbrand in den Akten der
Polizeihofstelle, und zwar in einer Sammlung von Dekreten und Richtlinien aus dem Zeitraum
1781 bis 1806, die der Beamte J.
B. Freyberger zum eigenen Gebrauch zusammengestellt hatte;
vgl. Heribert Nagler: Regierung, Publizistik und öffentliche Meinung in den Jahren 1809–1815
in Österreich. Diss. Wien (masch.) 1926, S. 16–17 u. 67–72.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
102 3. Die Zensur als Instrument der Repression: Die Ära Napoleons und der Vormärz (1792–1848)
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510