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Sein Ruf unter Autoren war verheerend, und die Wahrscheinlichkeit spricht
dafür, dass nicht alle der zahlreichen Klagen über seine Borniertheit erfunden
waren. Hammer-Purgstall etwa zögerte nicht, ihn als „höchst beschränkte[n]
und schwachsinnige[n] Kopf“ zu bezeichnen. Hammer-Purgstall befolgte die
bewährte Strategie, die zum Beispiel auch Nestroy anwandte, in seine Schriften
ein paar Stellen einzubauen, die sicher gestrichen wurden, um den Rest durch
die Zensur zu bringen. „Die Wut zu streichen zog ihm krampfartig die Finger
zusammen und hatte er erst ein paar Stellen gestrichen, so liess er andere hin-
gehen, die sonst, wenn jene stärkeren nicht zum Streichen vorhanden gewesen,
gewiss nicht durchgelaufen sein würden.“116 Mag in dieser Charakteristik Lust
an Polemik und gekränkter Stolz mitspielen, so ist es doch eine Tatsache, dass
Sedlnitzky die Veröffentlichungen der Akademie der Wissenschaften zensurie-
ren wollte, wogegen sogar Metternich votierte.117
Um die Zensurinstrumente zu schärfen, wurde 1836 die 1803 abgeschaffte
Formel ,damnatur nec erga schedam‘ wieder eingeführt. Sie bedeutete, wie schon
erwähnt, dass nur der Kaiser persönlich eine Scheda gewähren konnte. Gleich-
bedeutend war die Formel „außer Kurs setzen“, die meist bei Zeitungen, Zeit-
schriften oder Fortsetzungswerken wie Enzyklopädien angewendet wurde und
auf ein prospektives Debit- bzw. Pränumerationsverbot hinauslief. Schließlich
wurden in besonders unruhigen Zeiten auch vermehrt Beschlagnahmen ver-
hängt und in den Verbotslisten mit der Formel ,damnatur und mit Beschlag zu
belegen‘ vermerkt. Julius Marx hat für den Zeitraum von 1835 bis 1848
212
Beschlagnahmen gezählt, so wurde etwa 1847 die englische Zeitschrift Punch
wegen der „gehässigen Karikaturen auf den Kaiser“ aus dem Verkehr gezogen.118
Im Mittelpunkt standen jedoch radikal-liberale, als revolutionär eingeschätzte
Schriften. Von Beschlagnahmen betroffen waren schwerpunktmäßig von Hoff-
mann und Campe in Hamburg, Hoff in Mannheim, dem Literarischen Institut
in Herisau/Schweiz und einigen anderen Verlagen publizierte Werke. Solche
Bücher sollten umgehend vernichtet werden, in der Praxis scheinen sie aber teil-
weise an die Ursprungsverleger zurückgeschickt oder in der Polizeihofstelle gela-
gert worden zu sein.119 Auch im Fall des Fundes bereits verbotener Bücher war
prinzipiell die Vernichtung der aufgefundenen Exemplare vorgesehen. Manch-
116 Joseph von Hammer-Purgstall: Erinnerungen und Briefe, Bd.
3, Teil
5. Scan der maschinschrift-
lichen Abschrift von Joseph von Hammer-Purgstall: Erinnerungen aus meinem Leben. Hg. v.
Walter Höflechner u. Alexandra Wagner. Graz 2011 (http://gams.uni-graz.at/context:hp [zuletzt
abgerufen am 03.03.2017]), S. 22.
117 Vgl. Julius Marx: Österreichs Kampf gegen die liberalen, radikalen und kommunistischen
Schriften 1835–1848 (Beschlagnahme, Schedenverbot, Debitentzug). Wien, Köln, Graz: Böh-
lau 1969, S. 11.
118 Marx: Die österreichische Zensur im Vormärz, S. 60.
119 Vgl. Marx: Österreichs Kampf gegen die liberalen, radikalen und kommunistischen Schriften,
S. 13. 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 131
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510