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Signifikant ist der aus Tabelle 9 ersichtliche Anstieg der Verbote von Druck-
schriften in den Jahren 1794 und 1795 auf das Dreieinhalbfache des Niveaus von
1793. Es handelt sich um die Phase des revolutionären terreur in Paris mit der
Hinrichtung des Königspaars, in deren Folge die Revolutionsangst drastisch
steigt und unter anderem zur Verfolgung der ,Jakobiner‘ in den deutschen Staa-
ten und in Österreich führt. Die starke Zunahme der Verbote bringt 1793 auch
die erstmalige Vergabe des Zensurgrads ,erga schedam‘ mit sich, die nicht als
Erleichterung verstanden werden sollte, sondern bedeutet, dass auch vergleichs-
weise harmlose Literatur schwerer zugänglich gemacht wurde. Schon bisher
waren Scheden vergeben worden, aber ohne dass eine Gruppe von Werken dafür
eigens markiert worden wäre.162
Das Niveau der Verbote von 1795 wurde dann bis 1802 beibehalten, ehe die
Verbotszahlen bis 1815 rasch auf weniger als ein Zehntel des Standes von 1802
absanken (1802: 741, 1807: 200, 1811: 94, 1815: 57). Dieser Rückgang befindet
sich in Einklang mit der rezessiven Entwicklung auf dem Buchmarkt infolge der
Wirren um Napoleons Feldzüge und Besitzergreifungen in weiten Teilen Europas,
von denen nicht zuletzt die deutschen Staaten und Österreich betroffen waren.
Die deutsche Buchproduktion schrumpfte zwischen 1800 und 1809 um ein Vier-
tel, von 4012 auf 3045 Titel, und erreichte 1813 einen Tiefstand von 2323 Titeln.
Bezeichnend für die Milderung des Zensurklimas ist auch das Verhältnis zwischen
den mit ,damnatur‘ und den mit ,erga schedam‘ beurteilten Werken. Während das
Verhältnis 1795/96 etwa 3:1 lautet, verschiebt es sich 1799 zu 2:1, ab 1805 halten
einander ,damnatur‘ und ,erga schedam‘ ungefähr die Waage.
Seit 1808 wurden auch Manuskripte in den Verbotslisten angeführt. Darun-
ter sind zum Druck in Österreich eingereichte Manuskripte jeder Größenord-
nung zu verstehen, einen erheblichen Teil dieser Rubrik machen Bücher aus, die
zum Nachdruck eingereicht wurden. Die Zahl der verbotenen Manuskripte pen-
delte mit wenigen Ausreißern bis 1820 um die 100. Der Umstand, dass gleich-
zeitig die Zahl der zugelassenen Manuskripte zwischen 1811 (936) und 1819
(2406) um das Zweieinhalbfache wuchs, spricht ebenfalls für eine mildere Behand-
lung der eingereichten Schriften. Verboten bzw. nicht zum Druck zugelassen
wurden religiöse Werke, Sachbücher und medizinische Ratgeber, aber auch
Kleinformen wie Einzeldrucke von Liedern, Broschüren und Ähnlichem. Auf-
fällig häufig stößt man als Einreicher von Manuskripten auf den k.
k. Rat Franz
Xaver Sonnleithner, der selbst schriftstellerisch tätig war, aber zumindest in den
Jahren 1808/09 wohl mehrheitlich nicht von ihm verfasste Werke einreichte.
Naheliegt, dass er mit seinen Brüdern Joseph und Ignaz zusammenarbeitete,
162 Erstmals ist von Scheden 1762 in van Swietens Ausführungen über die Organisation der Zen-
surkommission die Rede; bestätigt wird die Schedenvergabe rückblickend von Joseph II. in
seinem Zensuredikt von 1781; vgl. die Texte im Anhang.
3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 147
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510