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Laut Houben stand am Anfang der Schwierigkeiten mit der österreichischen Zen-
sur eine Aktion des Verlegers, mit der er sich an Österreich – und ganz speziell
an dem einstigen Liberalen Friedrich von Gentz – rächen wollte. Er legte näm-
lich dessen ,Jugendsünde‘, eine Denkschrift zum Regierungsantritt des preußi-
schen Königs Friedrich Wilhelm
III. im Jahr 1797, in der Gentz um Pressfreiheit
gebeten hatte, wieder auf. Dieser Neudruck erschien unter dem Titel Seiner könig-
lichen Majestät Friedrich Wilhelm dem Dritten, bei der Thronbesteigung allerun-
terthänigst überreicht (am 16. Nov. 1797), neuer wörtlicher Abdruck; nebst einem
Vorwort über das Damals und Jetzt mit dem Impressum Brüssel: C. Frank und
Comp. 1820 bei Brockhaus. Das Buch wurde von der österreichischen Zensur
prompt, nämlich im Jänner 1820 mit dem Urteil ,damnatur‘ belegt. Laut Houben
startete Gentz nun seinerseits einen Rachefeldzug gegen den Verlag, zunächst
insbesondere durch regelmäßige Verbote von Lieferungen des Conversations-Le-
xikons.179 Schwierigkeiten zwischen Wien und Leipzig hatte es allerdings bereits
zuvor gegeben: Schon der Vorgänger von Brockhaus’ Conversations-Lexikon war
1799 verboten worden; 1816/17, als Brockhaus anonym zwei von Erzherzog
Johann unter Mithilfe des Historikers Joseph von Hormayr verfasste Werke über
Andreas Hofer und den Widerstand gegen Napoleon in Tirol veröffentlichte,
waren diese in Österreich ebenfalls prompt aus dem Verkehr gezogen worden.180
Auffällig ist allerdings, dass die Verbote von Brockhaus’ Verlagswerken mit dem
Jahr 1820 sprunghaft zunehmen: 1820 sind 22
Titel zu verzeichnen, 1821 40
Titel,
1822 33
Titel, 1823 noch immer 18
Titel usw. Erlaubt waren von Brockhaus’ Wer-
ken dagegen von der Jahresproduktion 1822 nur vier Werke.181
Ob nun gezielte Rache oder nicht – Tatsache ist, dass der neunte und zehnte Band
der fünften Auflage des Conversations-Lexikons im Oktober 1820 in Österreich ver-
boten wurden. Die Buchhändler in der Monarchie beantragten in der Folge, auch
diese Bände an die Pränumeranten ausliefern zu dürfen. Der Vorstand des Bücher-
revisionsamtes informierte sie daraufhin, dass hier große Vorsicht zu walten habe.
Ohne Bedenken dürften sie gegen den üblichen Revers, die Scheda, Personen ver-
sowie Handzeichnungen aus dem Kreise des höhern politischen und gesellschaftlichen Lebens
(1812); vgl. Brockhaus: Die Firma F. A. Brockhaus, S. 21. August Prinz: Der Buchhandel vom
Jahre 1815 bis zum Jahre 1843. Bausteine zu einer späteren Geschichte des Buchhandels. Zwei-
te verbesserte und vermehrte Auflage. Altona: Verlags-Bureau 1855 (Reprint Heidelberg: Win-
ter 1981), S.
10, spricht, wohl übertreibend, von „einer Menge politischer und sonstiger verbo-
tener Werke“, die von Brockhaus unter dieser falschen Verlagsangabe herausgebracht wurden.
179 Art. „Brockhaus’ Konversationslexikon“. In: Houben: Verbotene Literatur, S. 81–90.
180 Die Titel lauten: Geschichte Andreas Hofer’s, Sandwirths aus Passeyr, Oberanführer der Tyro-
ler im Kriege von 1809 (1817), und: Das Heer von Innerösterreich unter den Befehlen des Erz-
herzogs Johann im Kriege von 1809 in Italien, Tyrol und Ungarn. Von einem Stabsoffizier des
k.
k. Generalquartiermeister-Stabes eben dieser Armee (1817). Vgl. Brockhaus: Friedrich Arnold
Brockhaus, 1. Teil, S. 374–380.
181 Brockhaus: Friedrich Arnold Brockhaus, 3. Teil, S. 365.
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176 3. Die Zensur als Instrument der Repression: Die Ära Napoleons und der Vormärz (1792–1848)
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510