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abreicht werden, die ansehnliche Bibliotheken besäßen, zum Beispiel an die Fürsten
bzw. Grafen Lichtenstein, Schwarzenberg, Batthányi, Grasalkowitz, Lobkowitz und
Harrach. Ebenfalls geeignet für Scheden seien aufgrund ihres Standes oder ihrer
Anstellung qualifizierte Personen im Ausland, zum Beispiel der Großherzog von
Toskana, Baron Miltitz, königlich-preußischer Legations-Sekretär in Konstantino-
pel, Kranichfeld, Gesandtschaftsarzt in Konstantinopel, oder Graf Woijna, Geschäfts-
träger in Stockholm. Von den übrigen Personen auf der Pränumerantenliste kämen
nur Standespersonen, Beamten höheren Ranges, Professoren und Gelehrte infrage,
sofern sie den Bedarf an den beiden Bänden begründen könnten und darüber mit
dem Buchhändler „spezielle Verhandlungen gepflogen werden“. Insgesamt wird vor
der Verbreitung „eines Werkes von so schlechter Tendenz“ gewarnt und es der
Unvorsichtigkeit der Buchhändler und Kunden zugeschrieben, wenn ein „Specu-
lationsgeschäft das sie mit dem schon seit längerer Zeit im politischen Sinn übel
berüchtigten Buchhändler Brockhaus auf ihr Risico eingingen, nunmehr zu ihrem
Nachtheil ausschlägt.“182 „Beamte niederer Kategorie und insbesondere Personen
aus dem Bürger- und Gewerbestande“, die offensichtlich als leicht zu beeinflussen
galten, seien vom Schedenerwerb kategorisch auszuschließen.183
Eine derartig drastische Einschränkung des Bezieherkreises in weiten Teilen
des deutschsprachigen Raums gefährdete das Verlagsprojekt. Brockhaus war
denn auch bereit, einzulenken, und bot an, für Österreich eigens entschärfte
Versionen der beiden Bände wie auch zukünftiger Auflagen herzustellen, hatte
damit aber keinen Erfolg.184 Die Konversationslexika – Meyers Konkurrenzpro-
dukt erging es nicht viel besser – rückten wohl vor allem deshalb ins Fadenkreuz
der Zensur, weil sie ein neues, bildungshungriges Publikum ansprachen, das die
Grenzen des bisherigen Lesepublikums der Gebildeten deutlich überschritt, und
in entsprechend großen Auflagen vertrieben wurden. Bis zur Mitte des Jahrhun-
derts waren von Brockhaus’ Conversations-Lexikon ca. 150.000
Exemplare abge-
setzt worden.185 Ähnlich wie der Vorsteher des Bücherrevisionsamtes bezeich-
nete auch ein Buchhändlerkollege Brockhaus’ Lexikon abschätzig als „aus
Buchhändler-Speculation, auf die Unwissenheit und Oberflächlichkeit des Pub-
likums rechnend, entstanden“.186
Auch Cotta hatte in erster Linie Probleme mit den von ihm verlegten Perio-
dika, vor allem mit der Augsburger Allgemeinen Zeitung, den Europäischen Anna-
182 Archiv der Korporation der Wiener Buch-, Kunst- und Musikalienhändler, 1821, 26 (13.1.1821);
eine an das Bücherrevisionsamt gerichtete, wohl von der Polizeihofstelle stammende Version
der Instruktion druckt Brockhaus: Friedrich Arnold Brockhaus, 3. Teil, S. 358–360, ab.
183 Ebd., S. 360.
184 Zu späteren Verboten des Conversations-Lexikons vgl. Julius Marx: Die amtlichen Verbotslis-
ten. In: Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs 9 (1956), S. 150–185, hier S. 169.
185 Siehe Wittmann: Geschichte des deutschen Buchhandels, S. 211.
186 Prinz: Der Buchhandel vom Jahre 1815 bis zum Jahre 1843, S. 8.
3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 177
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510