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rich antwortete, dass er ohnehin schon ein Verbot verhängt hatte, bot Cotta aber
gleichzeitig die Weiterführung der Zeitung unter anderem Namen an. Cotta
gründete die Zeitung daraufhin neu mit dem Titel Allgemeine Zeitung und ver-
legte die Redaktion nach Stuttgart. Da der Herzog pro forma eine permanente
Präventivzensur, die in der Hauptstadt stattfand, über die Zeitung verhängen
musste, wäre ansonsten zu viel Zeit zwischen Druck und Begutachtung verloren
gegangen. Der Chefredakteur wurde entlassen und durch Ludwig Ferdinand
Huber ersetzt, Posselt erhielt aber sofort einen Mitarbeitervertrag. Cotta suchte
sogar um ein kaiserliches Privileg für die Zeitung an, um deren Vertrieb durch
die Taxis’sche Reichspost sicherzustellen.191 Trotz neuen Namens, Privilegs und
Übersiedlung läuterte sich die Allgemeine Zeitung aber nicht. Am 13. Oktober
1803 wurde sie in Württemberg, vermutlich infolge Drucks aus Frankreich, bis
auf Weiteres verboten. Die Folge war eine weitere Übersiedlung, diesmal nach
Ulm, das damals zu Bayern gehörte.192 1810 schließlich wurde der Sitz des Zei-
tungsverlags nach Augsburg verlegt. In Österreich war die Allgemeine Zeitung
erstmals Ende 1804 in das Verzeichnis der erlaubten und zur Subskription frei-
gegebenen Zeitungen aufgenommen worden und zog 1807 allein in Wien 300
bis 400
Abonnenten an.193 Die Probleme mit der Zensur vervielfältigten sich aber
in der Zeit des Vormärz. Die österreichischen Zensurverantwortlichen schwank-
ten zwischen der Versuchung zu häufigen Verboten und der Einsicht, dass dadurch
die Aufmerksamkeit erst recht auf das Blatt gelenkt würde. So fühlte sich Franz
Anton Graf Kolowrat-Liebsteinsky 1819 nach Erlass der Karlsbader Beschlüsse
verpflichtet, Sedlnitzky zu berichten, dass die Nummern 267 und 268 der Allge-
meinen Zeitung „Artikel einer revoluzionären Tendenz“ enthielten, die eigent-
lich verboten gehörten, er habe mit diesem Schritt aber gezögert, weil „ein der-
lei Verbot nur die Neugierde reizt, und zur Veranlassung wird, daß derlei Blätter,
die man sich doch auf andern Wegen zu verschaffen sucht, nur um so aufmerk-
samer und begieriger gelesen werden“.194 Für Metternich andererseits waren die
schlimmen Folgen solcher Artikel, „die im geraden Wege zu revoluzionären
Wünschen, und endlich zu wirklichen Anschlägen und Verbindungen gegen die
Regierungen“ führen, nicht mit taktischen Argumenten hinweg zu räsonieren,
er trat für „klare Maßregeln gegen diesen Zeitungsunfug“ ein.195
Von den übrigen, häufig Anstoß erregenden Verlagen sind das Verlags-Comp-
toir in Grimma (3.) und Kollmann (6.) in erster Linie durch ihre massenhafte
191 Siehe Fischer: Johann Friedrich Cotta, S. 129.
192 Vgl. ebd., S.
214–226; ergänzend Liselotte Lohrer: Cotta. Geschichte eines Verlags 1659–1959.
O. O., o. V. 1959, hier S. 80.
193 Fischer: Johann Friedrich Cotta, S. 332; Heyck: Die Allgemeine Zeitung, S. 239.
194 Zitiert bei Giese: Studie zur Geschichte der Pressegesetzgebung, Sp. 370.
195 Zitiert ebd. 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 179
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510