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chung ex pravitate haeretica“) handelte, die den Bischöfen offensichtlich nach
wie vor zustanden.
Der zweite Machtkampf, der in den 1770er Jahren sichtbar wurde, spielte sich
zwischen eher liberalen und eher konservativen Kräften in der böhmischen Lan-
desregierung ab und gipfelte in der sogenannten Seibt-Affäre. Der Prager Zen-
sor (und zugleich Professor für Ästhetik) wurde beschuldigt, seinen Studenten
verbotene Bücher zu leihen, was unter anderem zu einer umfangreichen Razzia
in den Prager Buchhandlungen und dem Ruf nach einer Reform der Zensur
führte. Der Grund der Affäre lag in einer Auseinandersetzung zwischen dem
relativ liberalen Landeschef und Vorsitzenden der Zensurkommission Karl Egon
von Fürstenberg und dem konservativen Franz Xaver Grafen Wieschnik, der
Vorsitzender der Prager Universitäts- und Studienkommission und des Appel-
lationsgerichts war. Den Sieg trug der konservative Wieschnik davon, der 1779
auch zum Vorsitzenden der Zensurkommission wurde; die Neuorganisierung
der Zensur kurz nach dem Beginn der Alleinherrschaft Josephs
II. beschied die-
sem Sieg der Konservativen aber nur eine kurze Lebensdauer.15
Eine Herausforderung anderer Art stellte Anfang der 1770er Jahre die Auf-
gabe dar, den Prozess der staatlichen Zensur und ihrer Zentralisierung admi-
nistrativ zu meistern. Dieses Unterfangen stieß auf praktische Hindernisse: Die
banale Tatsache, dass jeder Zensor ein Exemplar des gedruckten Index librorum
prohibitorum haben müsse, kommentierte Actuarius Franz Fischer damit, dass
davon in Prag kein „einziges Exemplar vorhanden wäre, er aber von den 4 Stü-
cken, die er von Wienn mitgenommen, bereits 3
Stücke an die H.
Beysitzer ver-
theilet, und Eines, um sein Amt handeln zu können, für sich zurückbehalten
hätte“.16 Der Actuarius hatte die Aufgabe, die in Wien verbotenen Bücher in
einem entsprechenden Folianten zu verzeichnen. Den von der Prager Zensur-
kommission nach Wien gesandten Listen mangelte es aus Sicht des Hofes jedoch
an bibliographischer Genauigkeit, sie sollten künftig längere Titel und sowohl
Ort als auch Jahr umfassen, um einzelne Auflagen voneinander unterscheiden
zu können. Während es eine eigene Kalenderzensurkommission gab, war die
Tätigkeit der Zensurkommission ohne Attribut zweigeteilt in die Zensur von
Manuskripten und jene importierter Bücher, die noch nicht beurteilt worden
waren. Dem entsprechen zwei Arten von Protokollen, die unterschiedlich orga-
15 Die grundlegende Quellenarbeit dazu stammt von Jaroslav Prokeš: Aféra Seibtova roku 1779.
In: Otokar Odložilík (Hg.): Českou minulostí. Práce věnované profesoru Karlovy university
Václavu Novotnému jeho žáky k šedesátým narozeninám. Praha: Jan Laichter 1929, S.
317–330.
Eine deutsche Zusammenfassung bietet Eduard Winter: Der Josefinismus und seine Geschich-
te. Beiträge zur Geistesgeschichte Österreichs, 1740–1848. Brünn, München, Wien: Rudolf
M.
Rohrer 1943, S. 100–103.
16 NA, ČG-P, 1774–1783, Karton 730, Signatur G5/1, Protokoll der Prager Zensurkommission
vom 6.7.1772.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
198 4. Ein Blick in die Länder
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510