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handeln, denn nach den uns vorliegenden gedruckten Listen sind 1836 in Mai-
land 2877
Titel (Importe, Manuskripte, Nachdrucke) bearbeitet worden, in Vene-
dig 1637; im Jahr 1837 in Mailand 3068 und in Venedig 1564.
Daran ist umgekehrt aber auch ersichtlich, dass die Menge an zu überprüfen-
den Titeln nach 1818/19 deutlich ansteigt, ohne dass deshalb eine formale Ver-
änderung der Personalsituation vorgenommen worden wäre, auch wenn in den
Akten gelegentlich die Rede von Aushilfsarbeiten ist, die von anderen Beamten
geleistet wurden.
Eine umfassende statistische Untersuchung über Buchproduktion, Litera-
turimporte und Zensur existiert noch nicht. Eine statistische Erfassung der
zugelassenen, verbotenen und bearbeiteten Manuskripte bzw. zugelassenen
und verbotenen Importe steht vor dem Problem, dass in den oben verwende-
ten Listen bearbeiteter (bzw. zugelassener) Titel die Verbote fehlen, gegen deren
Erwähnung sich Sedlnitzky explizit ausgesprochen hatte, um nicht geradezu
dafür zu werben.98 Die Ausnahme, wie Gianluca Albergoni feststellt, sind ein
paar Listen vor dem Zeitpunkt von Sedlnitzkys Weisung im Juli 1817, aus denen
hervorgeht, dass in Mailand ungefähr 3
% der eingereichten Manuskripte abge-
lehnt wurden.99 Ohne Vergleichswerte ist allerdings nicht klar, was solche Zah-
len aussagen, außer dass sie bis zu einem gewissen Grad der landläufigen Auf-
fassung von der Strenge der österreichischen Zensur zuwiderlaufen. Nun sind
aber auch die Zahlen für die vor Drucklegung durch Streichungen veränderten
Manuskripte erhalten (hier ohne die separat geführten Nachdrucke gezählt),
woraus sich in Mailand für 1817 ein Prozentsatz von 21,9 % ergibt (152 von
694 eingereichten Manuskripten), ein Prozentsatz, der nach Stichproben 1819
(21,3 %), 1825 (18,5 %) und 1829 (21,8 %) über längere Zeit einigermaßen
konstant bleibt. 1834 aber steigt er auf 27,4 % und 1839 auf 33 %. Man kann
durchaus argumentieren, dass diese Zahlen ebenso aussagekräftig sind wie jene
absoluter Verbote, da hier die Auswirkungen der Zensur auf die tatsächliche
Produktion ersichtlich werden. Nach der Interpretation, dass eine effektive
institutionalisierte Zensur sich vor allem auch in der Selbstzensur bzw. Anpas-
Eine ähnlich hohe Anzahl an Buchimporten ist sonst nicht belegt, und auch wenn die Mailän-
der Unterlagen nach 1839 nur mehr vereinzelt vorhanden sind, lassen die erhaltenen Monate
keine vergleichbare Steigerung erkennen.
98 ASM, AdG, Studi p.
m.
75, Sedlnitzky an Saurau, 25.7.1817: „Wenn die von Zeit zu Zeit verbo-
thenen Bücher durch den Druck bekannt gemacht werden, so entstehen hieraus mancherley
Unzukömmlichkeiten für die Staatsverwaltung“, daher würden diese Verzeichnisse „nicht
gedruckt, sondern geschrieben, den Behörden, die es zu wissen nothwendig haben, mitgetheilt.“
99 Gianluca Albergoni: La censura in Lombardia durante la Restaurazione: alcune riflessioni su
un problema aperto. In: Domenico Maria Bruni (Hg.): Potere e circolazione delle idee. Stampa,
accademie e censura nel Risorgimento italiano. Milano: FrancoAngeli 2007, S. 213–236, hier
S. 230–231.
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230 4. Ein Blick in die Länder
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510