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Rudolfs in den Mittelpunkt, den Inbegriff eines weisen Monarchen, der zum
Wohl seiner Untertanen regierte. Nach Stiffts Ansicht konnte nur ein einge-
fleischter Liberaler an dem Stück Anstoß nehmen. Schließlich setzte sich auch
die Kaiserin für die Zulassung ein. Die Zensur wurde infolge dieser allerhöchs-
ten Meinungsbildung von ‚oben‘ her überstimmt. Mehr als ein Jahr nach der
ersten Vorlage des Dramas wurde seine Aufführung genehmigt. Aber einige Pas-
sagen mussten weggelassen oder umformuliert werden, vor allem wurden die
Hinweise darauf, dass sich Böhmen und Österreicher bekämpften, gestrichen.
Etwa ein Monat nach der Premiere im Burgtheater, die im Februar 1825 statt-
fand und den Anfang eines großen Erfolgs bildete, brachte das Theater an der
Wien eine eigene Fassung des Stücks heraus. Das Manuskript zu dieser Produk-
tion durchlief nochmals die Zensur. Da es erhalten geblieben ist, können die
Eingriffe im Detail nachvollzogen werden. Insgesamt wurden 125
Stellen geän-
dert. In Übereinstimmung mit Hägelins Denkschrift können drei Motive für
Eingriffe unterschieden werden: Die Korrekturen betrafen religiöse, politische
und moralische Fragen.
Da der Klerus weder auf der Bühne in Erscheinung treten noch erwähnt wer-
den sollte, wird der Kanzler des Mainzer Erzbischofs als bloßer Abgesandter
eingeführt; unangebracht erschien auch eine Anspielung auf die Macht des Paps-
tes über weltliche Herrscher. Was die Moral betrifft, so wurde das Wort „Kupp-
ler“ weggelassen, mit dem der Vater Bertas, der von Ottokar verschmähten Braut,
bezeichnet wird; auch Anspielungen auf Ottokars moralische Verfehlung – er
verlässt seine Frau und wendet sich Berta zu – wurden gemildert. Hinweise der
Königin auf die „beiden hoffnungsvollen Kleinen, / Die ihm mein Schoß, seit-
dem verschlossen, trug“, wurden ebenso weggelassen wie die Worte, in denen
Margaretha an das ihrem ersten Mann gegebene Gelübde erinnert: „Nicht Man-
neshände sollten je berühren / Den kleinsten Finger mir, des Kleides Saum.“
Überdies wurden die auf die künftige Königin bezogenen lüsternen Gedanken
Zawischs, seine Werbung um sie und die Hinweise auf ihre Untreue Ottokar
gegenüber zensuriert.
Die überwiegende Mehrzahl der Eingriffe betraf politisch bedenkliche Stel-
len. Wörter wie „Schurke“, bezogen auf Adelige, wurden gestrichen; der bekann-
te Name „Rosenberg“ wurde zu „Rosenburg“ geändert. Was die Nationalitäten
betrifft, so wurde die Bemerkung, dass die Ungarn schwach seien und keine
Bedrohung des Friedens mehr darstellten, gestrichen. Ottokar durfte sein eige-
nes Volk, das er als zu konservativ und Neuerungen gegenüber abgeneigt ein-
schätzt, nicht zurechtweisen („Ich weiß wohl, was ihr mögt, ihr alten Böhmen“);
den Bayern wiederum wurde der Vorwurf erspart, sie seien unzuverlässige Ver-
bündete. Als Ottokar erfährt, dass sich Wien Rudolf ergeben hat, ruft er aus:
„Verdammt! O Wiener! Leichtbeweglich Volk!“ Der Zensor verwandelte den
Ausruf in einen weit milderen Vorwurf: „O Wien! Das dank ich dir!“
5.2. Die Theaterzensur in der Epoche Franz’ II./I. (1792–1835) und Ferdinands I. (1835–1848) 253
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510