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Das zweite Heft des Jahrgangs 1818 enthielt eine Besprechung einiger Schrif-
ten über das Wartburgfest.21 In einer an den Herzog von Sachsen-Weimar-Ei-
senach adressierten Beschwerde aus der Feder Karl Albert von Kamptz’, des
Direktors im Preußischen Polizeiministerium, über Hans F. Massmanns Kurze
und wahrhaftige Beschreibung des großen Burschenfestes wird ausgiebig aus dem
letztgenannten Werk zitiert und zum Beispiel vermerkt, dass laut Massmann
„die trübe Winternacht der Knechtschaft noch immer auf Deutschland laste“
und dass verdienstvolle Männer als Vaterlandsfeinde verleumdet, ja sogar als
„Bonapartistische Schildknappen und Schmalzgesellen“ verunglimpft würden.22
Besonders hymnische Töne schlägt Hofrat Fries in seiner Verteidigung an:
So spielt der kühne Feuergeist der Jugendkraft mit den Ungeheuern seiner Zeit, den
Hydern des Aberglaubens und der Vorurtheile, die er wie Kaninchen bändigt und
zähmt, während sein Arm den morschen Mantel der veralteten Staatsgewalt zerreißt,
unter dem Millionen schlafen, die er zum besseren Leben aufrüttelt und erhebt.23
Auch direkte Aufrufe zum Kampf fehlen nicht: „Deutsche Jünglinge! Ihr steht
auf dem Boden der Weihe. Welche Weihe! Von hier aus gab Luther, der Mann
Gottes, das deutsche Wort der ewigen Wahrheit dem deutschen Volk – und ent-
zündete den blutigen Kampf um Geistesfreyheit, Bürgergleichheit.“24 Die Bezug-
nahme auf Luther zieht weitere religiöse Assoziationen nach sich:
Christus sagt: Ich bin gekommen, daß ich ein Feuer anzünde auf Erden. […] Und
wohin Luthers siegender Ruf erscholl, da erwachte freyes Geistesleben im Dienste der
Wahrheit und Gerechtigkeit! Der Verkündiger, der ihn trieb, trieb ihn durch alle Volks-
kraft der letzten Jahrhunderte zu deutscher Geistesbildung und zu aller Entfesselung
des Gedankens, aller Ausgleichung der Bürgerrechte von dem an, was in den Nieder-
landen geschah, bis zu den Freystaaten in Nordamerika. […] Denn ich habe einen Tag
der Rache mir vorgenommen, daß Jahr, die Meinen zu erlösen ist gekommen.
21 Isis 1818, H. 2, Sp. 383–394: Rezension von [Hans F. Massmann:] Kurze und wahrhaftige
Beschreibung des grossen Burschenfestes auf der Wartburg bei Eisenach am 18ten und 19ten
Siegesmonds 1817 (Nebst Reden und Liedern). Jena: Frommann 1818; D.
G. Kieser: Das Wart-
burgsfest am 18.
October 1817, in seiner Entstehung, Ausführung und Folgen. Nach Actenstü-
cken und Augenzeugnissen; nebst einer Apologie der akademischen Freiheit und 15
Beilagen.
Jena: Frommann 1818; C.
A.
C.
H. v. Kamptz: Rechtliche Erörterung über öffentliche Verbren-
nung von Druckschriften. Berlin 1817; Selbstvertheidigung des Hofraths [Jakob Friedrich]
Fries über die ihm öffentlich gemachten Beschuldigungen in Rücksicht der Teilnahme an der
auf der Wartburg in und bey Eisenach begangenen Feyer des 18.
Oct. 1817, mit kleinen Bemer-
kungen von einem seiner großen Verehrer. O. O. 1818.
22 Ebd., Sp. 384.
23 Ebd., Sp. 387.
24 Ebd., Sp. 389.
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
266 6. Fallstudien
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510