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fen, sie bestellt ihn zur selben Zeit in ihre Kammer. Da sich zu diesem Zeitpunkt
auch der Nonce ankündigt, begibt sich Messaline mit ihm in den Hof, der König
schläft irrtümlich mit Lactilla. Auf dem Rückweg trifft er auf Messaline, die den
Nonce abgefertigt hat und den König in ihr Zimmer mitnimmt. Kurz vor der
Erfüllung aller seiner Wünsche versagt seine bereits von Lactilla strapazierte
Manneskraft. Messaline tröstet ihn, indem sie vermutet, er sei durch Zauber-
kraft impotent geworden.
Hier bricht das Werk ab. Es handelt sich um die französische Übersetzung
von The Amours of Messalina late Queen of Albion (By a Woman of Quality, a
late confidant of Q.
Messalina. London. Printed for John Lyford 1689). Die Fort-
setzung trug den Titel The Royal Wanton (London 1690). Als Verfasser wurde
Gregorio Leti, ein protestantischer Historiker, Politiker und satirischer Schrift-
steller identifiziert. Er lebte am französischen und später am englischen Hof,
musste aber 1683 von dort nach Holland fliehen, nachdem er wegen der Veröf-
fentlichung satirischer Anekdoten in Ungnade gefallen war. Er verfasste unter
anderem eine Biographie der Königin Elisabeth
I.; andere Werke aus seiner Feder
beschäftigen sich kritisch-satirisch mit dem Leben der Päpste, so Il puttanismo
romano (1668), ein Werk, das in Österreich verständlicherweise ebenfalls ver-
boten war.
In der französischen Skandalchronik begegnet man in dem Pamphlet Les
amours d’Anne d’Autriche König Louis
XIII. und seiner Gemahlin Anna aus dem
Hause Österreich. Die Ehe blieb 23
Jahre kinderlos, der Verfasser berichtet, dass
es bei der Thronbesteigung ihres Sohnes Louis
XIV. einen Aufstand der Fronde
gegeben habe, weil alles für seine illegitime Abstammung sprach. Louis benahm
sich auch als Herrscher entsprechend seiner Geburt, brach alle Abkommen und
Versprechen und paktierte mit den heidnischen Türken; selten habe man einen
Fürsten gesehen, „violant au dehors les traitez & la foi publique, & au dedans les
sermens les plus sacrez & les plus solemnes“.52 Das ist Grund genug, um die
wahre Abstammung des Königs zu rekonstruieren.
Die Fäden zog auch bei dieser Affäre Richelieu, Annes heimlicher Regent und
Ratgeber. Richelieu führt seine junge und hübsche, aber auch eitle und ehrgei-
zige Nichte (,Parisatis‘ genannt) bei Hof ein. Unter ihren Verehrern findet sich
der Bruder des Königs, der mögliche Thronfolger Gaston, Prince d’Orléans.
Richelieu bietet ihm seine Nichte zur Frau an, wird von ihm dafür aber öffent-
lich geohrfeigt. Der Kardinal schwört Rache, Parisatis ist zutiefst beleidigt, die
52 Les amours d’Anne d’Autriche Epouse de Louis XIII. Avec Monsieur le C. D. R., Le veritable
Pere de Louis XIV. aujourd’hui Roi de France. Oú l’on voit au long comment on s’y prit pour
donner un Heritier à la couronne, les resors qu’on fit jouer pour cela, & enfin tout le denoue-
ment de cette comedie. Nouvelle Edition Revue & Corrigee. A Cologne, Chez Pierre Marteau,
M.DC.XCVI [zuerst 1692], Bl. A5r. 6.2. Chroniques scandaleuses 275
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510