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Pompadour hin. Vorsorglich wird ihr eifersüchtiger Ehemann nach Avignon
verbannt. Sie versteht es, den König zu unterhalten, wird reich beschenkt, erhält
den Titel Marquise und kauft Paläste in Paris und Versailles. Der Garten des
Pariser Palastes wird auf Kosten des öffentlichen Parks vergrößert, was den Pöbel
aufbringt. Sie macht sich Feinde wie den Marquis d’Argenson und seine Frau
oder den Herrn von Maurepas, die sie anschwärzen, aber mit ihren Intrigen
scheitern. In einer Phase der Unpässlichkeit kann sich die Pompadour dem König
„in einem gewissen Verstande nicht nähern“; er bekommt als Überbrückung die
kaum 14-jährige Irin Murphy vermittelt: „Hier genoß er nun einen Schmaus der
bloßen Natur.“59 Die Pompadour spielt mit, tritt ihm ihr Landhaus ab, in dem
er Mademoiselle Murphy ungestört in einer zu ihr passenden Umgebung, inmit-
ten von Gemälden mit Schäferszenen, treffen kann. Als Murphy ihn eines Tages
taktlos fragt, wie es zwischen ihm und seinem „alten Weibe“ stünde,60 bedeutet
dies das jähe Ende der Beziehung zu der jungen Irin.
Der Verfasser geht nebenbei auch auf politische Themen wie die Streitigkei-
ten zwischen der Geistlichkeit und dem Parlement in Paris ein. Das Volk soll
die Bulle Unigenitus schlucken, aber das Parlement wehrt sich dagegen. Nach
Meinung des Verfassers hätte es besser gegen die Unterdrückung der Unterta-
nen durch den Hof und die unerträglich hohen Steuern und Abgaben auftreten
sollen, auch bringt er an dieser Stelle einen Seitenhieb auf die Unfehlbarkeit des
Papstes, eines „kleinen italienischen Pfaffen“,61 an. Das Volk hasst die Pom-
padour, weil sie über viele Amtsvergaben entscheidet und ihre Günstlinge über-
all platziert, Verschwendung treibt und Verhandlungen mit dem König von
Preußen wegen des Verkaufs von Neuchâtel geführt haben soll.
Das Buch endet mit Klatsch über ihr Altern: Früher sei sie hübsch und von
gesunder Gesichtsfarbe gewesen, nun sei sie so abgemagert, dass sie niemand
mehr begehre und sie nur noch Mitleid und Verachtung ernte. Den Rest habe
die Mode des Schminkens, die die Frauenzimmer ergriffen habe, getan:
Dieses bringt eine solche lächerliche Gleichheit unter ihnen hervor, daß kaum ein
Gesicht von dem andern zu unterscheiden ist, so wie in einer Heerde Schafe. Zu glei-
cher Zeit sticht das Roth so glänzend hervor, daß sie für so viele Figurentänzerinnen
könnten genommen werden, die sich maskiret haben, einen Tanz von Furien zu hal-
ten. Kurz, es würde sich einer einbilden, daß sie nicht bloß zufrieden wären, für sich
keusch zu seyn, sondern auch sucheten, die Ursache zur Keuschheit bey andern zu
werden, weil man sonst gar keinen Grund von dem Unsinne angeben kann, den sie
haben, sich auf eine so grobe und unnatürliche Art zu bekleistern, welche alle Wir-
59 Ebd., S. 90.
60 Ebd., S. 101.
61 Ebd., S. 114. 6.2. Chroniques scandaleuses 279
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510