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45. Psalm („Gürte Dein Schwert an Deine Seite …“). Der deutsche Übersetzer
hatte hier eigenmächtig im Haupttext die Luther᾿sche Übersetzung dieser Stel-
le verwendet und den von Scott gewählten Text der englischen Übersetzung in
einer Anmerkung (in deutscher Übersetzung) wiedergegeben. Die österreichi-
sche Ausgabe rückt – wie bei Scott – die Übersetzung der englischen Version in
den Haupttext und streicht die Luther᾿sche Übersetzung.269 Nicht nur die Ein-
leitung, sondern auch Teile dieser Predigt erschienen der Zensur suspekt. Der
Prediger appliziert die auf König David bzw. das Kommen des Messias gemünz-
ten Verse auf Cromwell. Getilgt wurden die auf diese Weise drastisch herausge-
strichenen Erfolge des Schwertes Cromwells:
Ihr waret Alle zu geschäftig, Taschenmesser für die faulen Flormänner zu Oxford270
zu verfertigen, für prahlerische Priester, deren Augen so vom Fett verschlossen waren,
daß sie das Verderben nicht eher sahen, als bis es sie bei der Kehle faßte. Doch ich
kann Euch sagen, wo das Schwert geschmiedet wurde, und gehärtet und geschweißt,
und gewetzt, und polirt. Als Ihr, wie ich zuvor sagte, Taschenmesser für falsche Pries-
ter, und Dolche für ausschweifende verdammte Cavaliere machtet, dem Englischen
Volke die Kehle damit abzuschneiden – wurde es zu Long-Marston-Moor geschmie-
det, wo die Schläge schneller auf einander folg[t]en, als je von einem Hammer oder
Ambos wiederhallten – und es wurde zu Naseby gehärtet, im besten Blut der Roja-
listen – und es ward geschweißt in Irland an den Mauern von Drogheda – und es
ward gewetzt am Leben der Schotten zu Dunbar – und nun wurde es neuerlich polirt
in Worcester, bis es so hell schimmert, wie die Sonne mitten am Himmel, und da ist
kein Licht in England, das ihm nahe kommen soll.271
Schritt für Schritt nähert sich der Prediger seinem Ziel, der Denunziation des
Königtums, konkret des legitimen Thronfolgers, des späteren Charles II., und
seiner Anhänger (eingeklammert wieder die ausgelassenen Passagen).
Schmiedet Ihr nun nicht Complotte, oder seid bereit, sie zu schmieden, um den jun-
gen Mann, wie Ihrs nennt, wieder einzusetzen, den unreinen Sohn des geschlachte-
ten Tyrannen272 – den Flüchtling, den die treuen Herzen von England jetzt verfolgen,
269 S. 17–18/17.
270 Im Original: „lazy crape-men of Oxford“ (S. 9).
271 S.
17/18. – Kaum eigens erwähnt werden muss wohl, dass die Lieblingsschimpfwörter der Puri-
taner für Katholiken und Anglikaner: „Papisten“ und „Prälatisten“, ebenso wie die Ergänzun-
gen „faul“ oder „verblendet“, weggelassen wurden (S.
19/19, 21/20 u. öfter). Ähnliche punktu-
elle Eingriffe betreffen den Ausruf der royalistischen Untertanen: „Bei der heiligen Messe!“
(S. 85/74: „Nun, mein Seel!“ u. öfter; im Original: „By the mass“, S. 45).
272 Dieser Zusatz fehlt in der Grazer und in der Wiener Ausgabe Mausbergers, passierte aber in
der hier näher untersuchten Wiener Ausgabe; es handelt sich um eines von beliebig vermehr-
baren Beispielen für die Willkür der Eingriffe.
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340 6. Fallstudien
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510