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Die Verfasserin bringt am Ende ihres Stücks zwei Fußnoten an, in denen sie
von ihr erwähnte Details als authentisch bezeichnet. Tatsächlich beruht der
gesamte Hintergrund des Stücks, die Vorgänge um Staatsschulden und Finanz-
spekulationen, auf historischen Tatsachen. Die Staatsschulden hatten um 1715,
gegen Ende der Herrschaft Ludwigs
XIV., enorme Ausmaße angenommen. Der
exilierte Schotte John Law, ein glühender Verfechter des Papiergeldes, ließ die
Notenpresse anwerfen und das Metallgeld mehr oder weniger zwangsweise in
Aktien und Staatsanleihen umtauschen. Das zweite Standbein des Law’schen
Finanzsystems war die Compagnie d’Occident, die die französischen Besitztü-
mer am Mississippi durch Ausgabe von Staatsanleihen in eine Quelle des Reich-
tums verwandeln sollte. Nachrichten von Goldfunden zogen zahlreiche Anleger
an, die 1720, angeregt durch die hohen Kurse, die Aktien der Compagnie zu
verkaufen und anderswo (in Grundbesitz) anzulegen begannen. Durch den
Kursverfall verlor die Mehrzahl der Anleger große Summen, auch die Geldpres-
se musste angehalten werden, um das Papiergeld zu stabilisieren, kurz: Eine frü-
he Finanzblase war auf zu dieser Zeit unerhörte Art und Weise geplatzt.
Das Stück musste aus österreichischer Sicht in mehrfacher Hinsicht als äußerst
bedenklich erscheinen. Im Mittelpunkt stehen Finanzspekulationen, in die Lud-
wig XIV. und sein Nachfolger, der ‚Regent‘ Duc d’Orléans, verwickelt sind. Die
Spekulationen dienen, sofern sie denn gelingen, der unkontrollierten Bereiche-
rung der Aristokraten und neureichen Roturiers, dem Staat und dem ‚Volk‘ gerei-
chen sie dagegen zum Nachteil. Aber auch die Anleger sind unzufrieden, so erhebt
der Duc in ihrem Namen schwere Vorwürfe gegen die staatliche Geldpolitik:
Si ce papier est meilleur que l’argent, qu’on nous le reprenne quand nous n’en voulons
plus, et qu’on nous rende ce vil métal dont nous voulons bien nous contenter. Que
diable! Ceci est une plaisanterie de fort mauvais goût, monsieur Bourset!381
(Wenn dieses Papier besser als das Silber ist, dann nehme man es zurück, wenn wir
es nicht mehr wollen; man gebe uns das nichtswürdige Metall zurück, mit dem wir
ganz zufrieden sind. Zum Teufel! Das ist ein sehr schlechter Scherz, Herr Bourset!)382
Die Teilnahme an den Mississippi-Spekulationen wird als fahrlässige Dummheit
bezeichnet: „En votre âme et conscience, Bourset, vous ne pensez pas que la
France et le régent fassent de compagnie la plus grande sottise du monde?“383
(Hand auf’s Herz, Herr Bourset, glauben Sie nicht, dass Frankreich und der
Regent gemeinsam die größte Dummheit der Welt begehen?) Schließlich ist auch
381 Ebd., S. 342.
382 Die Übersetzungen von Zitaten aus Les Mississipiens stammen vom Verfasser, N. B.
383 Ebd., S. 235. 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 379
Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Title
- Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848
- Author
- Norbert Bachleitner
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien - Köln - Weimar
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20502-9
- Size
- 15.8 x 24.0 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Censorship, Austria, Habsburg monarchy, 18th and 19th century, Zensur, Österreich, Habsburgermonarchie, Geschichte, 18. und 19. Jahrhundert, Literatur
- Categories
- Geschichte Vor 1918
Table of contents
- VORBEMERKUNGEN 11
- 1. EINLEITUNG 15
- 2. IM DIENST DER AUFKLÄRUNG: DIE ZENSUR ZWISCHEN 1751 UND 1791 41
- 2.1. Die Vorgeschichte: Zensur in der Frühen Neuzeit 41
- 2.2. Die maria-theresianische Zensurkommission 49
- 2.3. Die josephinisch-leopoldinische Epoche 58
- 2.4. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1754–1791 73
- 2.4.1. Verbote 1754–1791 73
- 2.4.2. Verbote 1754–1780, gegliedert nach Sprachen 78
- 2.4.3. Meistverbotene Autoren 1754–1780 79
- 2.4.4. Verbote 1783–1791, gegliedert nach Sprachen 82
- 2.4.5. Meistverbotene Autoren 1783–1791 84
- 2.4.6. Verbote 1754–1791, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 85
- 2.4.7. Meistverbotene Verlage 1754–1791 87
- 2.4.8. Häufigste Verlagsorte 1754–1791 91
- 3. DIE ZENSUR ALS INSTRUMENT DER REPRESSION: DIE ÄRA NAPOLEONS UND DER VORMÄRZ (1792–1848) 93
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 3.1.1. Die Etablierung des polizeilichen Zensursystems 94
- 3.1.2. Die Zensoren 96
- 3.1.3. Die Aktion der Rezensurierung 1803–1805 101
- 3.1.4. Die Jahre der napoleonischen Besatzung und die Zensurvorschrift von 1810 105
- 3.1.5. Die Zensurgutachten: Beispiele aus den Jahren 1810/11 108
- 3.1.6. Die Bücherrevisionsämter 114
- 3.1.7. Die Staatskanzlei 121
- 3.2. Die Zensur im Vormärz (1821–1848) 124
- 3.3. Kommentierte Statistik der Verbotstätigkeit 1792–1848 146
- 3.3.1. Verbote und Zulassungen 1792–1820 148
- 3.3.2. Verbote 1792–1820, gegliedert nach Sprachen 151
- 3.3.3. Meistverbotene Autoren 1792–1820 153
- 3.3.4. Verbote und Zulassungen 1821–1848 157
- 3.3.5. Verbote 1821–1848, gegliedert nach Sprachen 163
- 3.3.6. Meistverbotene Autoren 1821–1848 166
- 3.3.7. Verbote 1792–1848, gegliedert nach Disziplinen bzw. Gattungen 169
- 3.3.8. Meistverbotene Verlage 1792–1848 171
- 3.3.9. Meistverbotene französische Verlage 1792–1848 186
- 3.3.10. Häufigste Verlagsorte 1792–1848 188
- 3.1. Zwischen Französischer Revolution und Studentenunruhen: Die Zensur von 1792 bis 1820 94
- 4. EIN BLICK IN DIE LÄNDER 193
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 4.1.1. Die böhmischen Zensurkommissionen und ihre Zusammensetzung 193
- 4.1.2. Das Nebeneinander der Zensurinstanzen 196
- 4.1.3. Die gescheiterte Zentralisierung (1781–1791) 200
- 4.1.4. Die langsame Professionalisierung und Zentralisierung des Zensurapparats unter Franz II./I 203
- 4.1.5. Prag und Wien im Spannungsfeld der Kompetenzstreitigkeiten 206
- 4.1.6. Die Struktur der Zensur in Böhmen seit 1810 208
- 4.1.7. Unter der Lupe – Analyse der Gutachten 211
- 4.1.8. Probleme der Zensur in den Provinzen – der Fall Böhmen 214
- 4.2. Daniel Syrovy: Die italienischsprachigen Gebiete der Habsburgermonarchie (1768–1848) 216
- 4.1. Petr Píša/Michael Wögerbauer: Das Königreich Böhmen (1750–1848) 193
- 5. DIE THEATERZENSUR 239
- 6. FALLSTUDIEN 259
- 6.1. Periodika 259
- 6.2. Chroniques scandaleuses 269
- 6.3. Die Motive ,Teufel‘ und ,Selbstmord‘ in der verbotenen Literatur 281
- 6.4. Die deutsche Klassik 296
- 6.5. Die Romantiker 321
- 6.6. Historische Romane am Beispiel von Walter Scott 336
- 6.7. Französische und anglo-amerikanische Romanliteratur der 1840er Jahre 347
- 6.8. Geschichtsepik 359
- 6.9. Französische Theaterstücke aus dem Zeitraum 1830–1848 374
- 6.10. Englische Theaterstücke 389
- 7. AUSBLICK 407
- ANHANG 411
- 1. Zensurprotokolle 411
- 2. Verordnungen, Zensur-Richtlinien, Berichte 416
- Mandat betreffend „Sectischer Bücher-Verbott“, ausgegeben von Erzherzog Ferdinand I. von Österreich am 12.3.1523 416
- „Kurze Nachricht von Einrichtung der hiesigen Hofbüchercommission“ vom Februar 1762 418
- Pro Memoria des Professoris Sonnenfels Die Einrichtung der Theatral Censur bet[treffend] [Resolution von Joseph II., vom 15. März 1770] 419
- Gerard van Swieten: Quelques remarques sur la censure des livres (14. Februar 1772) 421
- Zensurverordnung Josephs II., ausgegeben am 1. Juni 1781 427
- Hofdekret vom 20., kundgemacht in Mähren den 28., in Innerösterreich den 30. Jäner, in Gallizien den 3. Februar 1790 431
- Denkschrift Franz Karl Hägelins, gedacht als Leitfaden für die Theaterzensur in Ungarn (1795) 438
- Zensur-Vorschrift vom 12. September 1803. Anleitung für Zensoren nach den bestehenden Verordnungen 462
- Instruktion für die Theaterkommissäre in den Vorstädten von Wien, 5. Dezember 1803 470
- Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren, in Folge a. h. Entschließung vom 14. September 1810 erlaßen 474
- ABBILDUNGSVERZEICHNIS 479
- BIBLIOGRAPHIE 480
- REGISTER 510